Strom aus Chlorophyll: Farbstoffzellen gelten als ein wichtiger Hoffnungsträger der Photovoltaik. ©Bild: EPFL

Richtig angefasst: Solarforscher in Europa legen sich kräftig in die Riemen, um nicht von der chinesischen Konkurrenz abgehängt zu werden. ©Bild: Jenoptik

Solarzellen: Forscher erhöhen das Tempo bei Neuentwicklungen

(©SR) Damit sich die notleidende Solarindustrie erholen kann, muss sie günstigere Technologien hervorbringen, die den Verfall der Modulpreise kompensieren. Firmen und Institute forcieren daher ihre Arbeit an Solarzellen mit höheren Wirkungsgraden. Auf der Branchenmesse Intersolar in München zeigten sie eine Reihe viel versprechender Weiterentwicklungen.


Kostensenkende Innovationen sind eine unabdingbare Voraussetzung für die Solarhersteller, um im hart umkämpften Photovoltaikmarkt zu bestehen. Ein neuartiges Modul aus multikristallinem Silizium, das jetzt erstmals auf der Solarmesse Intersolar in München vorgestellt wurde, gilt als viel versprechender Ansatz: Bei nahezu gleichbleibenden Produktionskosten erreicht es 15,9 Prozent Wirkungsgrad und 265 Watt Leistung – rund 20 Prozent mehr als bisherige multikristalline Solarpaneele.

Perc
-Zellen
Herzstück der neuen Technik sind so genannte Perc-Zellen (Passivated Emitter and Rear Contact). Bei dieser Technik reduziert eine spezielle Beschichtung Stromverluste zwischen Halbleiter und den Kontakten an der Rückseite. Dadurch wandeln die Zellen Licht mit einer rekordverdächtigen Effizient von 19,5 Prozent in Strom um und ermöglichen so den Leistungsanstieg bei den Modulen.

Entwickelt hat die Perc-Technik der ehemalige Zellenhersteller Q-Cells, der nach seiner Insolvenz 2012 von der südkoreanischen Hanwha-Gruppe übernommen wurde. Die neue Konzerntochter Hanwha Q Cells führt die Technik unter dem Namen „Quantum“ derzeit in den Markt ein. „Damit können wir uns abheben“, sagt Firmensprecher Jochen Endle. Nach wie vor belasten drastische Überkapazitäten die Solarhersteller. Um ihre Fabriken am Laufen zu halten, sind sie zu massiven Preisrabatten gezwungen. Dadurch wiederum rutschen immer mehr Firmen in die roten Zahlen. Zuletzt geriet wegen des massiven Preisverfalls sogar der langjährige Branchenprimus Solarworld in Schlingern.

50 Millionen Euro
Förderung
Technische Neuerungen können die Lage der Unternehmen mildern. In Standardzellen wird einstrahlendes Licht nie vollständig in Energie umgewandelt, da ein Teil den Halbleiter ungenutzt passiert. Bei der Perc-Technik wird ungenutztes Licht in die Zellen zurückgespiegelt und steht erneut zur Stromgewinnung zur Verfügung. Perc-Zellen könnten der Anfang einer neuen Innovationswelle in der Photovoltaik sein. Die deutsche Bundesregierung pumpt derzeit weitere 50 Millionen Euro in die Innovationsallianz Photovoltaik, einen Zusammenschluss deutscher Solarhersteller und Anlagenbauer. Auf diese Weise soll die Markteinführung neuer Technologien beschleunigt werden. Seit 2010 sind bereits 100 Millionen Euro in 26 Forschungsprojekte der Allianz geflossen.

Rückkontaktzellen

Die Forscher kommen gut voran. Dem Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) ist es gelungen, Rückkontaktzellen mit rund 23 Prozent Wirkungsgrad ohne komplizierte Strukturierungsverfahren herzustellen. Bei der Technik werden sämtliche Stromanschlüsse auf die Rückseite verlegt, damit ihre Front nicht verschattet wird. Dafür müssen bei der Rückseitenkontaktierung die elektrischen Anschlüsse beider Pole ineinander verschachtelt werden, um Kurzschlüsse zu vermeiden. Bisher beherrscht lediglich die US-Firma Sunpower die Technik. Das ISFH habe nun ebenfalls einen Weg gefunden, Rückseitensammler mit vertretbarem Aufwand herzustellen, sagt ISFH-Forscher Jan Schmidt. „Um die Metallisierung zu definieren, wird bei bisherigen Labor-Hochleistungszellen aufwendige Photolithographie verwendet, die für eine industrielle Produktion nicht geeignet ist. Wir setzen stattdessen Laser, also eine industriell gut umsetzbare Methode ein“.

Auch verbesserte Dünnschichtzellen

Auch bei der Dünnschicht gibt es Fortschritte. Der Reutlinger Anlagenbauer Manz und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) haben im Rahmen der Innovationsallianz Photovoltaik eine Linie für Module aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) mit 14,6 Prozent Wirkungsgrad entwickelt. Zum Vergleich: Als Manz 2012 die CIGS-Technik von Würth Solar übernahm, startete es mit rund elf Prozent Effizienz. Gleichzeitig senkten Manz und das ZSW im Projekt CIGSfab die Produktionskosten. Lagen sie 2012 noch bei knapp 1 € pro Watt, können die Paneele laut Manz-Sprecher Axel Bartmann dank besser aufeinander abgestimmter und automatisierter Prozesse heute für 0,5 € hergestellt werden – günstiger als kristalline Standardzellen.

EPFL
-Farbstoff-Solarzellen
Erfreuliche Nachrichten für die nanostrukturierte Photovoltaik kommen aus der Schweiz. Der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) ist es erstmals im Labor gelungen, mit Farbstoff-Solarzellen einen Wirkungsgrad von 14 Prozent zu erreichen. Bisher lag der Effizienzrekord für diese Technologie, ebenfalls gehalten von der EPFL, bei gut elf Prozent. Die Idee der Farbstoffzelle stammt von Michael Grätzel, Forscher an der Hochschule. Er hat die Technologie Anfang der Neunzigerjahre entwickelt. Das Besondere: Die elektrochemische Farbstoffzelle verwendet nicht ein Halbleitermaterial zur Absorption von Licht, sondern organische Farbstoffe wie zum Beispiel den Blattfarbstoff Chlorophyll. Die Solarzellen sind dadurch zu deutlich geringeren Kosten herstellbar.

ISE-Stapelzelle

Am obersten Ende der Effizienzskala sorgt wiederum das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg für Schlagzeilen. Es erreichte mit einer Stapelzelle 43,6 Prozent Wirkungsgrad und übertraf damit die bisherige Weltrekordzelle der Heilbronner Firma Azur Space Solar Power um 0,3 Prozentpunkte. Die Zellen mittels so genanntem Wafer Bonding herzustellen, ist eine materialtechnische Meisterleistung. Die Hälften der späteren Zelle werden auf zwei Wafern aufgebaut. Dazu beschichten die Forscher die Unterlage mit verschiedenen halbleitenden Elementen wie Gallium, Arsen, Indium und Phosphor, deren Kombination unter Lichteinfluss Strom fliessen lässt. Anschliessend werden die beschichteten Seiten der Wafer wie ein Sandwich aufeinander gepresst, sodass sie sich miteinander verbinden. Das Wafer Bonding ist eine Spezialität der französischen Firma Soitec, für den Aufbau der Schichten war bei der neuen Weltrekordzelle das ISE zuständig.

Eingesetzt werden die nur fingernagelgrossen Stapelzellen in Konzentratorsystemen. Integrierte Optiken – meist Linsen – sammeln das Licht und lenken es, bis zu 1000fach verstärkt, auf die winzigen Generatoren. Die Kombination von Optik und hocheffizientem Halbleiter nutzt das Licht optimal aus, funktioniert allerdings nur bei klarem Wetter. Geeignete Standorte sind etwa die Sahara und andere Wüstenregionen.

Grosser
Sprung steht bevor
Der grosse Effizienzsprung könnte bei sämtlichen Zellenkonzepten aber erst noch bevorstehen. Nach fünfjähriger Vorbereitungszeit wird ab diesem Sommer das neue, 19 Millionen Euro teure Röntgenstrahlrohr Emil (Energy Materials in-situ Laboratory) an den Elektronenbeschleuniger Bessy II in Berlin angeschlossen. Damit wird es möglich sein, Schichten präzise zu analysieren und Prozesse an deren Oberfläche zu beobachten. „Mit den Erkenntnissen lassen sich Grenzschichten massschneidern und somit Wirkungsgrade erheblich steigern“, erklärt der Solarforscher Klaus Lips vom Helmholtz-Zentrum Berlin. Die Voraussetzungen für einen Erfolg der hiesigen Solarindustrie könnten kaum besser sein.

©Text: Sascha Rentzing

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