Arno Stamm mit Michael Dröscher an einer Wärmepumpe, die bereits seit 1982 läuft. Gemeinsam haben sie sich für den Erhalt des Systems der kalten Nahwärme eingesetzt. ©Bild: Energieagentur NRW, Frank Wiedemeier

Dieser Brunnen gehört zum System der kalten Nahwärme. Das Gerüst wird verwendet, um die Pumpe per Flaschenzug aus dem Schacht zu holen, wenn Reparaturen notwendig sind. ©Bild: Energieagentur NRW, Frank Wiedemeier

Kalte Nahwärme in Dorsten: Pionierprojekt mit Wärmepumpen läuft seit vier Jahrzehnten und bleibt weiter im Rennen

(PM) Wärmepumpen gelten heute als zukunftsweisende Anlagen, denn sie ermöglichen umweltfreundliches und nachhaltiges Heizen. Dabei sind sie in manchen Projekten schon seit Jahrzehnten im Einsatz und damit viel länger, als man vielleicht denken würde. In den 1970er Jahren, als der Einbau von Wärmepumpen alles andere als selbstverständlich war, gab es bereits innovative Projekte in Nordrhein-Westfalen.


Diese bahnten der neuen Technologie den Weg zur weiteren Verbreitung. Wie zum Beispiel ein Projekt in Wulfen, einem Stadtteil von Dorsten: ‚Neue Stadt Wulfen‘ – schon der Name liess den Anspruch als wegweisendes Vorhaben anklingen. Es ging 1977 an den Start und in den folgenden Jahren wurden in der Siedlung Wulfen-Barkenberg 73 Wärmepumpen angeschlossen. Ein solches Grossprojekt mit so zahlreichen Wärmepumpen war damals aussergewöhnlich.

Kalte Nahwärme mit Grundwasser als Wärmequell
Projektträger war seinerzeit die VEW Energieanwendung. Als Investorin und Projektverantwortliche und damit als Contractor hatte sich das Unternehmen für den Bau einer zentralen kalten Nahwärme mit der Wärmequelle Grundwasser zur Versorgung der Siedlung entschieden. Somit konnten die in den nachfolgenden Jahren errichteten Ein- und Mehrfamilienhäuser mit dezentralen Wärmepumpen nach und nach an das kalte Nahwärmenetz angeschlossen werden. 71 Wohngebäude mit 110 Wohneinheiten wurden in das System eingebunden, wobei es für die Wohneinheiten Anschlusszwang gab. Später folgte noch das Gemeinschaftshaus Wulfen mit Hallenbad, für das zwei weitere Wärmepumpen an das Nahwärmenetz angeschlossen wurden. Zusätzlich diente eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zur Wärmerückgewinnung aus der Abluft des Hallenbades.

Wärmepumpe läuft verlässlich seit 1982
„Das war schon etwas Exotisches, als 1977 so ein umfassendes System mit Wärmepumpen begonnen wurde“, sagt Michael Dröscher, Besitzer eines Einfamilienhauses in der Siedlung Wulfen-Barkenberg. Er ist von dem System überzeugt: „Die Wärmepumpe in meinem Haus läuft seit 1982, und das mit dem ersten Kompressor, ohne wesentliche Reparaturen. Alle Welt spricht über energieeffiziente Heizung, wir haben sie seit fast 40 Jahren“, sagt der Generalsekretär der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e.V. und Clustermanager von Chemie.NRW.

System konnte nur mit Mühe gerettet werden
Doch in jüngster Zeit ging es für das Projekt nicht mehr so unkompliziert weiter. Die Technik lief immer noch problemlos. Dennoch wollte der nachfolgende Betreiber den Betrieb einstellen. „Es gelang uns vor zwei Jahren nur mit Mühe, das System zu retten. Wir wollten es weiter nutzen“, berichtet Dröscher. „Wir“, das ist ein Kreis von Eigentümern, die sich nicht damit abfinden wollten, dass die Zeit für die immer noch verlässlich laufenden Anlagen vorbei sein sollte. Sie schlossen sich zusammen und suchten gemeinsam nach einer Lösung.

Es war nicht einfach. „Erst wurde das Gemeinschaftshaus samt Hallenbad abgehängt, dann wirkte der Anschlusszwang nicht mehr und RWE als Nachfolger der VEW verlor das Interesse an den verbliebenen Einzelkunden, die alle praktisch per Hand abgerechnet werden mussten“, so beschreibt Dröscher die Situation. Als RWE den Pachtvertrag vor fünf Jahren kündigte, stand das Ende des Systems mit seinen Anlagen im Raum. „Von den etwa 110 angeschlossenen Wohnungseinheiten sprangen immer mehr Kandidaten ab. Die Sorge, im nächsten Winter womöglich ohne Heizung dazustehen, war gross. So haben sich viele eine Alternative gesucht, in die sie investieren mussten, sei es mit einer Erdwärme- oder einer Luftwärmepumpe oder einem Gastank im Garten“, berichtet der Hausbesitzer weiter.

Bewohner der Siedlung kämpfen für ihr Heizungssystem
Doch es gab auch Eigentümer wie Dröscher, die das System erhalten und die Wärmepumpen weiter nutzen wollten. Experten der Energieagentur.NRW haben auf einer Versammlung dieser engagierten Gruppe zu dem Thema informiert und beraten, dabei ging es um mögliche Alternativen und Betreibermodelle. Daraufhin begann die Suche nach einem neuen Betreiber. Die OET Kälte & Wärme GmbH aus Ochtrup hat die Herausforderung angenommen und ist zum Contractor geworden. In dieser Funktion hat sie die Pumpen gecheckt und die Steuerung optimiert, sodass diese nun wesentlich effizienter arbeiten als zuvor.

Für den Weiterbetrieb hat die Firma OET die Pumpen auch dem neuen Bedarf angepasst. Das Grundwasser wurde zuvor von RWE bereitgestellt, wozu beispielsweise im Jahr 2002 167 MWh/a Pumpenstrom notwendig waren, um 600‘000 Kubikmeter Grundwasser zu pumpen. Ursprünglich waren 110 Wohneinheiten angeschlossen. Das hat sich nun geändert. Die OET hat die Leistung der Grundwasserpumpen nun auf den geringeren Bedarf von nunmehr 40 Wärmepumpen für 53 Wohneinheiten eingestellt und damit den Energieverbrauch pro Wärmepumpe deutlich gesenkt. Die gesamte Fördermenge ist auf 130‘000 m3/a gesunken. Die Kosten für die Grundwasserbereitstellung und den Betrieb wurden so etwa halbiert. Statt rund 600 Euro Kosten im Jahr bedeutet das jetzt im Mittel etwa 300 Euro für die Eigentümer.

40 Teilnehmer im neuen Verbund
„Wir benötigen in unserem Haus jetzt insgesamt etwa 5300 kWh/a für circa 123 Quadratmeter beheizte Fläche, das bedeutet circa 43 kWh/m2, was für ein normales Reihenhaus von 1982 sicher sehr günstig ist“, erläutert Dröscher. „Das läuft jetzt im dritten Jahr und wir sind alle zufrieden damit“, so sein Resümee. Circa 40 Teilnehmer sind nun dabei in diesem neuen Verbund. Ihre Interessen werden durch einen Beirat wahrgenommen. Dieser hat zudem den Auftrag, die Idee Grundwasser-Wärmeversorgung weiterzuentwickeln. Etwa die Hälfte der Teilnehmer haben noch die alten Wärmepumpen von einst angeschlossen, die anderen haben mittlerweile neue im Einsatz. „Bis auf Weiteres läuft das jetzt so. Damit haben wir ein innovatives Heizsystem aus Pionierzeiten in den 1970er und 80er Jahren optimiert und fortgesetzt“, sagt Dröscher zufrieden.

Text: Energieagentur NRW

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2 Kommentare

Rainer Jansen

Im Zuge der Energiewende wird das kalte Wärmenetz sicher einen bedeutenden Beitrag leisten.
Das gilt besonders dort, wo durch Bodenversiegelung, kleine Grundstücke und enge Bebauung (z.B. Innenstädte), andere Energieversorgung kaum möglich sein wird. Außerdem kann gerade dort auch die Abwärme von Industriebetrieben, Wäschereien, Bäckereien u.s.w. genutzt werden. Hinzu kommt dann noch die Temperierung der Gebäude im Sommer.......

Max Blatter

Für "kalte Nahwärme" gäbe es einen etablierten Fachbegriff: Man spricht dabei von Anergienetzen (Anergie ≈ "thermische Energie mit einer Temperatur in der Nähe der Umgebungstemperatur"). Man kann diese übrigens nicht nur als Anergiequelle für Wärmepumpen nutzen, sondern auch als Anergiesenke für Kältemaschinen; also nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen. Insofern müsste man von "kalter Nahwärme und warmer Nahkälte" sprechen ... "Anergienetz" ist wohl einfacher!

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