Die Coronakrise hat sowohl das Arbeits- als auch das Privatleben verändert: Vermehrtes Arbeiten im Homeoffice, Videokonferenzen statt Dienstreisen und der Urlaub im Heimatland gehören mittlerweile zum Alltag. Durch das geringere Verkehrsaufkommen reduzieren sich auch die CO2-Emissionen – prognostiziert werden Einsparungen von bis zu acht Prozent im Jahr 2020. „Trotz der geringeren Emissionen zeigt unsere Studie, dass sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre aber noch nicht messbar verringert hat“, sagt Ralf Sussmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. „Um den CO2-Gehalt in der Atmosphäre auf Dauer zu reduzieren, müssten Massnahmen wie die Einschränkungen während der Corona-Pandemie über Jahrzehnte fortgesetzt werden; aber selbst dies würde bei weitem nicht ausreichen.“
CO2-Emissionen müssen sofort verringert werden
Um das zu zeigen, haben die Forscherinnen und Forscher zusätzlich ein langfristiges Szenario untersucht, das sich mit atmosphärischen Messungen gut nachweisen lässt: Das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf 1.5 Grad Celsius zu begrenzen, lässt sich nur erreichen, indem die CO2-Emissionen sofort deutlich verringert werden und bis 2055 Null betragen. „Dazu reichen Massnahmen wie die Beschränkungen in der Coronakrise allerdings bei weitem nicht aus, denn diese haben ja nur einmal eine Einsparung von acht Prozent erzielt. Um in den kommenden Jahrzehnten Null-Emissionen zu erreichen, sind vielmehr Jahr für Jahr kumulative Reduzierungen in der gleichen Grössenordnung notwendig – also 16 Prozent in 2021, 24 Prozent in 2022 und so weiter. Dafür sind politische Massnahmen unumgänglich, die grundlegende technologische Veränderungen im Energie- und Verkehrssektor umgehend einleiten“, so Sussmann.
Für die Studie nutzte das Team Daten aus einem weltweiten Netzwerk zur Beobachtung der CO2-Konzentration, dem Total Carbon Column Observing Network (TCCON). Hier wurde die Konzentration in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre über Garmisch-Partenkirchen und weiteren Standorten rund um den Globus gemessen. „Dazu waren High-Tech-Infrarotspektrometer im Einsatz, welche die Sonne als Lichtquelle nutzen. Diese Messmethode ist extrem genau, die Unsicherheiten liegen unter wenigen Promille“, erläutert Sussmann.
Lange Lebensdauer von CO2 verhindert Früherkennung
Dass derzeit noch keine Veränderungen in der Atmosphäre zu erkennen sind, erklären die Forschenden mit der sehr langen Lebensdauer von CO2 und der enormen Hintergrundkonzentration, die sich seit der Industrialisierung aufgebaut hat. „Aber auch natürliche Einflüsse erschweren eine Früherkennung: Während vom Menschen verursachte Emissionen die klare Hauptursache für die langfristige Zunahme an atmosphärischem CO2 darstellen, gibt es überlagerte Jahr-zu-Jahr-Schwankungen der Wachstumsrate, die durch natürliche Klimavariabilität der Ozeansenken und Landvegetation dominiert werden“, sagt Sussmann. Dies erschwere den Nachweis erfolgreicher Emissionsminderungen durch Atmosphärenmessungen.
Für die aktuelle Studie hat das Forschungsteam die TCCON-Messergebnisse den Prognosen der atmosphärischen Wachstumsrate für 2020 – mit und ohne Corona-Einschränkungen – gegenübergestellt. „Unsere Genauigkeitsanalysen der Atmosphärenmessungen haben gezeigt, dass wir innerhalb von etwas mehr als einem halben Jahr die Auswirkungen der Covid-19-Massnahmen auf die Atmosphäre messen könnten, wenn der Referenzzustand ohne Covid-19 genau vorhergesagt werden könnte“, so der Klimaforscher. „Auf jeden Fall aber könnten wir in voraussichtlich zweieinhalb Jahren herausfinden, ob es durch globale politische und gesellschaftliche Massnahmen gelingt, ausreichende Alternativen für fossile Brennstoffe zu finden und so die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.“
Originalpublikation
Sussmann, R., and Rettinger, M.: Can We Measure a COVID-19-Related Slowdown in Atmospheric CO2 Growth? Sensitivity of Total Carbon Column Observations, Remote Sens., 12, 2387, 2020. DOI: 10.3390/rs12152387 >>
Text: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
1 Kommentare
Natürlich ist das noch nicht erkennbar! Das Bundesamt für Umwelt BAFU gibt in seinem Dokument "Vom Menschen verursachte Treibhausgase" vom April 2015 eine mittlere Verweilzeit des CO2 in der Amtosphäre von 100-150 Jahren an. Wenn dank(!) Corona die Emissionen seit einem halben Jahr reduziert sind (DAS ist real und nachweisbar), dann ist das für die Atmosphäre in der Gesamtmenge "peanuts".
Das ist ja das Problem beim Klimawandel: Er hat keine schlagartig wirkenden Scheibenbremsen; er ist vielmehr träge wie ein Ozendampfer!