Synthetische Garne können auch aus recyceltem Kunststoff (Bild) hergestellt werden. Foto: B. Vogel

Kunststoffgranulat ist das Ausgangsmaterial für die Herstellung synthetischer Garne. Foto: B. Vogel

Beim linken Garn ist die Verknotung der Filamente deutlich besser gelungen als rechts. Foto: B. Vogel

Patrick Buchmüller, Chief Technical Officier der Heberlein AG (links), zusammen mit Projektmanager Andreas Brunner. Foto: B. Vogel

Das Entwicklungslabor der Heberlein AG in Wattwil/SG. Foto: B. Vogel

Die Heberlein AG stellt Spezialkomponenten für Spinnereien her. Der wichtigste Absatzmarkt ist China. Foto: B. Vogel

Blick auf verschiedene Garne, an denen die neue Verwirbelungstechnologie getestet wurde. Foto: B. Vogel

Eine der getesteten Varianten einer Verwirbelungsdüse mit Oszillator. Illustration: BFE-Schlussbericht

Die Produktion von Chemiefasern hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Grafik: Industrievereinigung Chemiefaser e.V.

Prozessinnovation in der Garnproduktion: Hier hängt Energieeffizenz an einem dünnen Faden – produzieren mit 30% weniger Energie

(BV) Die Ostschweiz steht für eine lange Tradition in der Textilindustrie. Einzelne Unternehmen produzieren bis heute und behaupten sich mit innovativen Produkten auf dem Weltmarkt. Zu ihnen gehört die Heberlein AG in Wattwil (SG). Die 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen Spezialteile für Maschinen zur Garnherstellung her. Eine dieser Komponenten wird gegenwärtig so weiterentwickelt, dass ein energieintensiver Prozessschritt der Garnherstellung künftig mit 30 % weniger Energie auskommen könnte. Das weltweite Einsparpotenzial ist erheblich.


Die Heberlein AG wurde im Jahr 1835 als Garnfärberei gegründet. Von Mitte der 1930er Jahre an stellte die Toggenburger Fabrik die Viscose-Kunstseide Helanca her. Ab 1950 verlagerte sich die Tätigkeit von der Garnherstellung auf den Bau von Textilmaschinen bzw. deren Komponenten. Solche Spezialkomponenten sind – neben Keramikteilen u.a. für die Medizin – heute noch eine Exklusivität des Wattwiler Unternehmens. Sie kommen in der Herstellung von synthetischen Garnen weltweit zum Einsatz. Ein Schwerpunkt ist dabei Asien, denn dort haben die meisten Heberlein-Kunden ihre Produktionsstätten.

Druckluft verbindet die Kunststofffasern
Synthetische Garne gehören zur Klasse der Chemiefasern und bestehen aus anwendungsspezifisch aufbereiteten Kunststoffen. Ausgangsstoff der Garnproduktion in einer Chemiefaserspinnerei ist ein Kunststoffgranulat. Die Herstellung des Garns läuft – vereinfacht dargestellt – in folgenden Schritten ab: Das Granulat wird erhitzt, dann mittels Spinndüsen in feine Kunststofffasern (Filamente) umgeformt und abgekühlt. Mehrere Dutzend oder sogar mehrere Hundert solcher Fasern werden zu einem Garn gebündelt und nach einer Weiterbearbeitung in der sogenannten Streckzone schliesslich auf eine Spule gewickelt. In dieser Form vertreibt die Spinnerei die Garne an ihre Kunden.

Damit die Filamente ein kompaktes Garn bilden, ist vor dem Aufwickeln ein zusätzlicher Prozessschritt erforderlich: Hierbei werden die Filamente mithilfe eines dünnen Druckluftstroms verwirbelt. Das hat zur Folge, dass sich die einzelnen Fasern zu einem kompakten Garn verbinden. Fachleute bezeichnen den Vorgang als ‹Knotenbildung› bzw. als ‹Fadenschluss›. Die Knotenbildung ist unabdingbar, damit das Garn später mit hoher Geschwindigkeit und ohne Abriss weiterverarbeitet werden kann.

Energieintensiver Prozessschritt
Der Verwirbelungsprozess wird seit Jahrzehnten zur Herstellung von hochwertigem Garn eingesetzt. Die dafür notwendigen Verwirbelungsdüsen stammen von der Heberlein AG in Wattwil oder von einem der insgesamt rund zehn Hersteller weltweit, die über das entsprechende Knowhow verfügen. «Der Verwirbelungsprozess ist sehr energieintensiv, er ist in einer Spinnerei für 15 bis 30 % des Energieverbrauchs verantwortlich», sagt Patrick Buchmüller, Technikchef der Heberlein AG.

Vor diesem Hintergrund startete die Firma ein Entwicklungsprojekt mit dem Ziel, den Verwirbelungsprozess mit einem neuen Verfahren energieeffizienter zu gestalten. Heberlein spannte dafür mit dem Engineering-Büro ‹streamwise› in Männedorf (ZH) zusammen. In einem vom BFE unterstützten Vorprojekt wurde eine neue Verwirbelungstechnologie mit Einsatz von Fluidoszillatoren konzipiert und im Labormassstab erfolgreich getestet.

30 Prozent weniger Energie
In einem mehrjährigen Folgeprojekt – finanziert aus dem Pilot- und Demonstrationsprogramm des BFE – wurde der Einsatz der Technologie nun im industriellen Massstab erforscht. Dabei wurden verschiedene Varianten einer Oszillator-basierten Verwirbelungsdüse (vgl. Textbox 1) konstruiert und anschliessend im Heberlein-Labor in Wattwil, aber auch im Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen und auf einer industriellen Spinnereimaschine mehreren Testprogrammen unterzogen.

Nachdem das Projekt Anfang 2022 mit dem Schlussbericht abgeschlossen wurde, zieht Dr. Benjamin Rembold vom Engineering-Büro ‹streamwise› eine positive Bilanz: «Die entwickelten Verwirbelungsdüsen mit Oszillator funktionieren fluiddynamisch hervorragend bei moderaten Prozessgeschwindigkeiten und bei feinen bis mittleren Garnen. Für hohe Prozessgeschwindigkeiten und groben Garne müssen weitere Tests gefahren und allenfalls weitere Optimierungsschritte vorgenommen werden.» Im Laborversuch konnten dank der neuartigen Düse 30 % Energie gespart werden.


Ein Luftstrahl für zwei Garne – das spart Energie
In herkömmlichen Verwirbelungsdüsen wird ein Druckluftstrahl von 0.5 bis 6 mm Durchmesser für die Knotenbildung eines Faserbündels eingesetzt. Die innovative Idee des neuen Verfahrens besteht darin, einen Druckluftstrahl für die Knotenbildung in zwei parallel produzierten Garnen zu nutzen. Dazu wird der Luftstrahl im schnellen Wechsel auf die beiden Garne gelenkt. Die Garne werden mit einer hohen Geschwindigkeit von bis zu 6000 m/min (entspricht 360 km/h) produziert und dabei ca. alle 8 cm mit einem Knoten versehen. Damit dies gelingt, muss der Druckluftstrahl mit einer Frequenz von rund 1500 Hertz und mehr zwischen den beiden Garnen oszillieren.

Es ist technisch sehr anspruchsvoll, den Druckluftstrahl bei so hohen Frequenzen zu steuern und den gewünschten Verwirbelungseffekt bei verschiedenen Garntypen und Produktionsgeschwindigkeiten zu erzielen. Lassen sich zwei Garne mit einem einzigen Druckluftstrahl verwirbeln, hat das den Vorteil, dass nun im Prinzip nur noch halb so viel Druckluft benötigt wird. In der praktischen Umsetzung lässt sich die Menge an Druckluft (und damit an Energie) nicht halbieren, aber doch um ca. 30 % reduzieren. BV


Mehrere Jahre bis zur Marktreife
Die Ergebnisse des Projekts haben die Verantwortlichen von Heberlein darin bestärkt, die Entwicklung der Verwirbelungsdüse bis zur Marktreife voranzutreiben. «Mit Blick auf ein serienreifes Produkt muss die Verwirbelungsdüse verkleinert werden. Auch muss die neue Komponente so ausgelegt werden, dass sie in bestehende wie neue Maschinen eingebaut und für verschiedene Garntypen genutzt werden kann», sagt Heberlein-Projektmanager Andreas Brunner. Bis zu einem marktreifen Produkt rechnet Brunner mit einer mehrjährigen Entwicklungszeit.

Als Einsatzgebiet für die neuen Verwirbelungsdüsen steht die Produktion von Teppichgarnen und technischen Garnen (für Sicherheitsgurten, Airbags, Lkw-Blachen usw.) im Vordergrund, während deren Einsatz im Bereich der Textilgarne (Kleiderproduktion) wegen der hohen Fadendichte in den dort eingesetzten Spinnmaschinen schwierig ist. In den beiden Einsatzgebieten ergibt sich ein erhebliches Einsparpotenzial, wie die folgende Überschlagsrechnung zeigt: Eine Chemiefaserspinnerei, deren Maschinen beispielsweise 640 Garne herstellen, verbraucht rund 36'000 m³ Druckluft pro Stunde, zu deren Produktion Kompressoren rund 3'600 kWh Strom benötigen. Diese Fabrik braucht also für die Verwirbelung der Garne in der Stunde etwa so viel Strom wie ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt pro Jahr. Einer Expertenschätzung zufolge liessen sich bei einem weltweiten Einsatz der neuen Verwirbelungstechnologie jährlich 360 GWh Strom sparen, was der Jahresproduktion eines grösseren Wasserkraftwerks entspricht.

Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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