„Dieser Schritt ist relativ einfach umsetzbar und schafft Rechtssicherheit für Betreiber von elektrischen Speichern. Und damit würde die einseitige Bevorzugung der Pumpspeicher beendet“, erklärte Jan Flückiger. Bild: Oliver Wimmer

Speicher-Roundtable: Wir wollen dieselben Rechte wie Pumpspeicherkraftwerke!

(AN) Pumpspeicher bezahlen keine Netzgebühren. Das sei historisch nachvollziehbar, aber heute nicht mehr sinnvoll, war am Speicher-Roundtable des Forums Energiespeicher Schweiz (FESS) im Oktober in Zürich zu vernehmen. Als ersten Schritt fordert das FESS, dass elektrische Speicher, die nicht direkt an einen Endverbraucher angeschlossen sind und somit die gespeicherte Energie wieder in das Stromnetz zurückspeisen, nur für den Nettobezug aus dem Stromnetz mit Netzentgelt belastet werden.


„Speicher können marktoptimiert, netz-, system- und klimadienlich eingesetzt werden“, erklärte Jan Flückiger von Swisspower, der im Kernteam des Forums Energiespeicher Schweiz sitzt. „Heute spreche ich aber als Mitglied des Forums Energiespeicher Schweiz.“ Das Forum ist eine Initiative der AEE Suisse und hat eine Speicher-Roadmap erarbeitet, die am Speicher-Roundtable Ende Oktober in Zürich vorgestellt und diskutiert wurde.

Bereits wirtschaftlich
Eigentlich wären Speicher schon heute wirtschaftlich, wusste Jan Flückiger zu berichten, die Netzentgelte behinderten aber Investitionen zum Beispiel in Quartierspeichern oder Power-to-Gas-Anlagen. „In der heutigen Gesetzgebung und Diskussion fehlt der Blick auf das Gesamtsystem“, ist Jan Flückiger überzeugt. Gerade dem Beitrag der Speicher zur Dekarbonisierung werde überhaupt noch nicht Rechnung getragen. Und auch dass dezentrale Speicher den Netzausbaubedarf verminderten und dazu beitrügen, dass die Schweiz weniger Strom importieren müsse, werde noch nicht berücksichtigt.

Schritt 1: Bestehende Diskriminierung aufheben
In seiner Roadmap schlägt das Forum Energiespeicher vor, dass Speicher, die nicht direkt an einen Endverbraucher gebunden sind, kein Netzentgelt bezahlen müssen. „Dieser Schritt ist relativ einfach umsetzbar und schafft Rechtssicherheit für Betreiber von elektrischen Speichern. Und damit würde die einseitige Bevorzugung der Pumpspeicher beendet“, erklärte Jan Flückiger. Und das sei in der Branche erst noch unbestritten, denn genau das stehe auch im VSE-Handbuch Speicher.

Schritt 2: Sektorkopplung ermöglichen
Als weiteren Schritt schlägt das Forum Energiespeicher Schweiz in seiner Roadmap vor, dass auch nicht rein elektrische Speicher – zum Beispiel Power-to-Gas-Anlagen – den Netzzuschlag nicht zweimal bezahlen sollten und wie Pumpspeicherwerke behandelt werden müssten: „Nicht-elektrische Speicher, die Energie aus dem Stromnetz beziehen, in einen anderen Energieträger umwandeln und diesen wieder in ein öffentliches Netz einspeisen, sind bezüglich Netzentgelt gleich zu behandeln wie Pumpspeicherkraftwerke bzw. reine elektrische Speicher.“ Das würde helfen, sektorübergreifende Speicher zu etablieren. Jan Flückiger erklärte: „Eine Power-to-Gas-Anlage würde dann beispielsweise nur Netzentgelt auf den Umwandlungsverlusten bezahlen. Und wir können uns vorstellen, dass eine solche Regelung zeitlich befristet eingeführt wird, um einen Innovationsschub zu ermöglichen.“ Sowohl in Deutschland wie auch in Österreich gebe es ähnliche Modelle.

Schritt 3: Dynamische, engpassorientierte Netztarifierung
Hier geht die Roadmap des Forums Energiespeicher noch einen Schritt weiter: „Die Netztarife sollten dynamisch und engpassorientiert ausgestaltet werden, d. h. dort, wo zu einem bestimmten Zeitpunkt Engpässe bestehen, steigen die Tarife automatisch (und umgekehrt).“ Die Teilnehmenden des Anlasses in Zürich waren sich fast alle einig, dass dies die beste Lösung wäre. „Das wäre dann die Reise in Richtung Kostenwahrheit: Dort, wo es einen Netzengpass gibt, wäre das Netzentgelt dann höher“, führte Jan Flückiger aus und fügte hinzu: „Das funktioniert aber nur, wenn wir smarte Netze haben!“ Oft höre er das Argument, dass dies den Strom in ländlichen Gebieten verteuern werde, doch Engpässe entstünden eher in dicht bebauten Gebieten, wo die Nachfrage hoch sei.

Die ideale Netzwelt
In einer idealen Netzwelt gäbe es eine technologieübergreifende Netztarifierung, die dazu führen würde, dass Stromüberschüsse in Wärme oder Gas umgewandelt würden. Am Schluss würden die Kundinnen und Kunden ein Netzentgelt zahlen, das der genauen Beanspruchung des Netzes entspricht. So könnten es sich die Verfasser der Speicher-Roadmap des Forums Energiespeicher vorstellen. Eine Vision, von der wir aktuell noch weit entfernt sind. Doch Jan Flückiger fügte an: „Es gibt leider keine klare Lösungen ohne Nebenwirkungen!“

Grünes Mäntelchen der Erdgaslobby?
Josef Jenni erinnerte in der Diskussion daran, dass ein Drittel des Energieverbrauchs in der Schweiz auf das Konto der Wärme gehe: „Wärme als solches zu speichern ist immer noch am kostengünstigsten!“ Ruedi Rechsteiner stösst sich daran, dass immer wieder vom erneuerbaren Gas im Gasnetz gesprochen werde: „Die Erdgaslobby schmückt sich dank Power-to-Gas mit einem grünen Mäntelchen!“ Er erinnert daran, dass die Gasindustrie bis jetzt alle Schritte hin zur Energiewende blockiert habe. „Der Speichermarkt könnte von Swissgrid aufgebaut werden“, schlägt Ruedi Rechsteiner vor. „Wir müssen PV ausbauen. Und der Strom darf im Winter auch aus Deutschland kommen.“

Netzentgelt-Roadmap?
„Ich werde den Eindruck nicht los, dass hier immer wieder von Netzentgelten gesprochen wird. Müssten wir dann nicht von einer Netzentgelt-Roadmap statt einer Speicher-Roadmap sprechen?“, kam eine Frage aus dem Publikum. „Wir haben beim Netzentgelt einfach den besten Hebel“, antwortete Jan Flückiger. Stefan Oberholzer, beim Bundesamt für Energie zuständig für die Energieforschung, gab zu bedenken: „Wenn wir Solarstrom ins Erdgasnetz einspeisen wollen, sollten wir bedenken, dass dieses im Winter vorwiegend Gas aus Russland enthält.“ Weiter erklärt er: „Wir verfügen in der Schweiz über keine Gasspeicher. Und Pumpspeicherkraftwerke sind keine saisonalen Speicher.“


Forum Energiespeicher Schweiz
Das Forum Energiespeicher Schweiz unterstützt die Umsetzung der klimapolitischen Ziele der Schweiz und der Energiestrategie 2050 und damit ein kosteneffizientes, CO2-freies und erneuerbares Gesamtenergiesystem.

Das Forum Energiespeicher Schweiz fungiert als Think Tank und Dialogplattform der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik. Dessen Aufgabe ist es, fundiertes Wissen

  • zur Vielfalt der Speicheroptionen und Einsatzmöglichkeiten,
  • zum system- und klimadienlichen Einsatz von Energiespeichern,
  • zu Rahmenbedingungen und Geschäftsmodellen, die einen solchen Speichereinsatz ermöglichen, aufzubereiten und zu verbreiten.

Das Forum Energiespeicher Schweiz versteht Speicher nicht als Selbstzweck. Es ist sektorübergreifend – Wärme, Strom, Mobilität – und technologieneutral organisiert und tauscht sich offen mit anderen Organisationen aus.


Mythen und Fake News rund um die E-Mobilität
Zum Schluss gab es am Speicher-Roundtable noch ein spannendes Referat von Marcel Gauch von der EMPA. Er brachte Licht ins Dunkel rund um die falschen Informationen zur Elektromobilität. Insbesondere würde – übrigens auch vom Bundesamt für Energie – immer wieder die „Schwedenstudie“ herbeigezogen, um zu zeigen, dass die Elektromobilität nicht klimafreundlich sei. Dies sei aber gar keine richtige Studie. „Insgesamt habe ich mir 113 Ökobilanz-Studien zur Elektromobilität angesehen, doch nur gerade acht davon haben selber Untersuchungen durchgeführt“, erklärte Marcel Gauch, der mit seinen Zahlen belegt, dass Elektroautos auf jeden Fall schon heute ökologischer unterwegs sind als fossil betriebene Fahrzeuge: „Doch Batterien werden wohl weiterhin eine Glaubenssache sein: Wer nicht will, sucht Gründe, wer will, sucht Wege.“ Marcel Gauch erklärt, auch wenn insbesondere deutsche Autohersteller den Markt bisher gebremst hätten, werde sich die Akzeptanz von E-Autos und elektrischen Speichersystemen beschleunigen: „Denn einige wollen jetzt sowohl ihre E-Autos wie auch die Batterien mit Ökostrom produzieren, was die Fahrzeuge noch glaubwürdiger machen wird!“

Am Speicher-Roundtable sind neben den Partnern des Forums Energiespeicher Schweiz auch weitere Interessenten herzlich willkommen. Gerne lädt Sie das Forum zum nächsten Speicher-Roundtable ein, wenn Sie Ihre E-Mail-Adresse zusenden >>.

Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin und Herausgeberin ee-news.ch

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