Wärmeversorgung der Zukunft auf dem Land. ©Bild: AEE

Vielfalt im Wärmesektor: Heizen mit erneuerbarem Strom – in Nechlin wird Wind zu Wärme

(AEE) Um die deutschen Klimaschutzziele für 2050 zu erreichen, müssen die Anstrengungen verstärkt werden. Dem Wärmesektor kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, da er für über die Hälfte des Endenergieverbrauchs verantwortlich ist. „Die Technologien für den Umstieg auf eine erneuerbare Wärmeversorgung sind bereits vorhanden. Worauf es ankommt, ist die grossflächige Nachahmung der Best-Practice-Beispiele, denn im Wärmesektor ist das CO2-Einsparpotenzial enorm“, sagt Robert Brandt, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE).


Allein die Versorgung mit Raumwärme macht etwa ein Viertel des deutschen Endenergiebedarfs aus. Hier werden nur relativ niedrige Temperaturen benötigt, die sich gut mit erneuerbaren Energien wie Solarthermie und Wärmepumpen bereitstellen lassen. Für hohe Temperaturen, wie sie oft für die industrielle Prozesswärme benötigt werden, braucht man hingegen Biomasse, Strom oder erneuerbare Gase. Im Wärmesektor lag der Anteil der erneuerbaren Energien im Jahr 2019 bei rund 14.5 Prozent. Der hohe Anteil der Wärme an der Endenergiebilanz liegt nicht zuletzt an häufigen Defiziten bei der Gebäudedämmung sowie dem verbreiteten Einsatz veralteter, ineffizienter Heizungsanlagen.

Schnelle Entwicklung hin zu erneuerbaren Wärmetechnologien
Der im Oktober veröffentlichte DIW-Wärmemonitor bestätigt: Die energetische Sanierung in Wohngebäuden stagniert nahezu, die CO2-Emissionen sind über die letzten Jahre kaum gesunken. Das Klimapaket der deutschen Bundesregierung, das 2019 verabschiedet wurde, legt für das Jahr 2026 ein Verbot für den Einbau neuer Ölheizungen fest. Eine schnelle Entwicklung hin zu erneuerbaren Wärmetechnologien ist insofern äusserst wichtig, da Heizungsanlagen langlebig sind und eine Entscheidung für fossile Energieträger 20–30 Jahre nachhält. Der aktualisierte Wärmekostenrechner der AEE gibt einen umfassenden Überblick zu Technologien, Vollkosten und Treibhausgasemissionen.

Zusammenspiel der Sektoren
Die Sektorenkopplung fasst Ansätze zusammen, bei denen die bisher getrennten Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr stärker vernetzt werden. Ziel ist die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen in allen Bereichen des Energiebedarfs. Die flexibel einsetzbaren Bioenergieträger, regenerativ erzeugtes synthetisches Methan und Wasserstoff sowie andere Strom- und Wärmespeichertechnologien, verknüpfen die Sektoren ebenfalls. Angestrebt wird, das grosse Potenzial der Stromerzeugung aus Windenergie und Photovoltaik bestmöglich zu erschliessen.

Die Wärmeversorgung der Zukunft basiert auf dem Zusammenspiel verschiedener erneuerbarer Wärmetechnologien sowie einer effizienten Kopplung mit dem Stromsektor. In ländlichen Regionen dominieren dezentrale Technologien wie Wärmepumpen zur Versorgung von Gebäuden, die nur noch einen sehr geringen Wärmebedarf aufweisen. Einerseits ist genug Fläche vorhanden, um zum Beispiel die oberflächennahe Geothermie zu erschliessen, andererseits lohnt sich aufgrund der geringen Wärmebedarfsdichte oft keine netzgebundene Wärmeversorgung.

In Nechlin wird Wind zu Wärme
Im brandenburgischen Nechlin verdeutlicht ein Pilotprojekt, wie klimaneutrales und kostengünstiges Heizen der Zukunft aussehen könnte: Im Ort wurde 2020 eine Power-to-Heat Anlage in Betrieb genommen. Die Anlage benötigt nur ein Prozent der Winderzeugung aus 17 umliegenden Windenergieanlagen, um mit dem Strom das in der Anlage befindliche Wasser auf 93 Grad zu erhitzten. Ein Wärmespeicher wurde im existierenden Nahwärmenetz installiert und versorgt die rund 100 Einwohnenden Nechlins mit etwa 700‘000 Kilowattstunden Heizbedarf fast vollständig. Zudem kann der Speicher den Bedarf des Dorfes auch für einen Zeitraum von zwei Wochen ohne Windeinspeisung decken.

Jährlich spart die Anlage eine Menge von 200 Tonnen CO2 im Vergleich zu Ölheizungen ein. Der Windwärmespeicher Nechlin ist Teil des Projekts Windnode und des Förderprogramms Sinteg („Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“). Die Sinteg-Förderung wird im März 2021 auslaufen – wichtig ist deswegen, dass die kommende EEG-Novelle die Nutzung der Windenergie weiterhin fördert und die Abregelung vermieden wird. Im Rahmen der Projekte wird der Frage nachgegangen, wie ein versorgungssicheres, wirtschaftliches und umweltverträgliches Energiesystem ausgestaltet sein muss, in dem erneuerbare Energien zeitweise 100 Prozent des Stroms liefern. Technische, wirtschaftliche und rechtliche Musterlösungen werden in verschiedenen Modellregionen entwickelt und sollen als Basis für eine breitere Umsetzung dienen.

DIW-Wärmemonitor >>

Aktualisierter Wärmekompass >>

Lessons Learned der Sinteg-Projekte >>

Text: Deutsche Agentur für Erneuerbare Energien (AEE)

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1 Kommentare

Max Blatter

Leider sagt der Artikel nicht, wie man sich die "Power-to-Heat-Anlage" genau vorstellen muss. Wärmepumpe? Das wäre super! Ich fürchte aber, dass es sich um eine simple Widerstandsheizung handelt.

Dagegen aber sträubt sich mein Ingenieurherz, weil mein Ingenieurkopf mal etwas von "Exergie" gehört hat. Und eine elektrische Widerstandsheizung ist nun mal in erster Linie eine Exergievernichtungsmaschine, egal wie erneuerbar und CO2-neutral und grün und weiß-nicht-was der Strom ist.

Klar, das ist immer noch besser als PV-Anlagen und Windturbinen in Schwachlastzeiten einfach "abzuregeln", sprich, ihr Energiepotenzial brach liegen zu lassen. Aber mittelfristig sollte man sich doch nach einer vernünftigen Nutzung der wertvollen elektrischen Energie umschauen, bei der die Exergie weitgehend erhalten bleibt. Damit sich mein Ingenieurherz wieder erwärmen kann.

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