Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im November 2019 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 18.11.2019). Bild: pvchange.com

„Uns allen, denen die Zukunft unserer Nachfahren am Herzen liegt, ist schon lange klar: die bisherigen Massnahmen bewirken fast gar nichts, sind viel zu harmlos für die Dramatik der Situation, in der wir uns befinden.“ Martin Schachinger

Pvxchange.com: Den Photovoltaik-Bremsern von gestern ist das Zubautempo nun zu lahm - Jahresrückblick 1. Teil

(MS) Wenn man unseren Politikern Glauben schenkt, dann ist die Energiewende in vollem Gange, der Umbau unseres Energie- und Wirtschaftssystems an Radikalität und Geschwindigkeit kaum zu überbieten. Es wird so viel reformiert, so viel bewegt – mehr geht wirklich nicht! Doch die Realität zeichnet ein ganz anderes Bild. Selbst den grossen Energiekonzernen, einst die Bremser vor dem Herrn, ist das Tempo, welches die amtierende Bundesregierung vorgibt, mittlerweile zu lahm.


Sie beginnen damit, die Geschwindigkeit des Umbaus selbst vorzugeben und sich zügig auf eine Zukunft vorzubereiten, in der Energie nur noch rein regenerativ erzeugt und emissionsfrei verbraucht wird. Klimaziele hin oder her, ihnen geht es um eine Überlebensstrategie in einem disruptiven Markt. Gleichzeitig blicken wir auf ein Jahr des öffentlichen Protests in Form von Klimastreiks und Strassenblockaden zurück, welche mit Greta Thunberg in Schweden begannen und sich mittlerweile über den gesamten Globus ausgebreitet haben. Die Jugend schaut nicht länger tatenlos zu, wie Politik und Wirtschaft ihre Zukunft durch widersinniges Festhalten an konventionellen Energieträgern und überholten Mobilitätskonzepten leichtfertig aufs Spiel setzt.

Doch wie entwickelte sich im Jahr des Umbruchs eigentlich die Solarindustrie?
Ich möchte hier einige der in den letzten 12 Monaten formulierten Erwartungen nochmals chronologisch aufführen und die tatsächliche Entwicklung dann anhand der konkreten Ereignisse beleuchten.

Dezember 2018: Die letzten Monate des Jahres waren zunächst geprägt durch einen heftigen Modulpreisverfall, der einerseits durch die in China angekündigten Kürzungen von Förderprogrammen ausgelöst wurde, andererseits durch den Wegfall des Mindestimportpreises (MIP) in Europa. Nach insgesamt 5 Jahren der Marktregulierung, mit der man seitens der EU-Kommission glaubte, einem Preisdumping durch chinesische Hersteller begegnen und die heimische Solarindustrie retten zu können, war der Spuk im September 2018 endlich vorbei. Der Erfolg dieser Massnahmen war allerdings mässig – kaum ein lokaler Hersteller hatte den Konkurrenzkampf überlebt.

Doch dann kam die plötzlichen Ankündigung der deutschen Bundesregierung, die Einspeisevergütung für PV-Dachanlagen zwischen 40 und 750 kWp schon ab Januar 2019 um 20 Prozent auf das Niveau von Freiflächenanlagen absenken zu wollen - wegen angeblicher Überförderung. Die dadurch entstehende grosse Aufregung im Markt legte sich etwas, nachdem die Kürzungen schliesslich in abgemilderter Form beschlossen wurden. Insgesamt sorgte das 4. Quartal 2018 und das 1. Quartal 2019 für ein rasantes Anwachsen der installierten Photovoltaikleistung in Deutschland.

Währenddessen wurden im polnischen Katowice auf der im Dezember stattfindenden UN-Klimakonferenz zunächst nur heisse Luft verbreitet und halbgare Versprechungen gemacht, anstatt endlich klare Signale in Richtung eines schnelleren Umbaus der Wirtschafts- und Energiesysteme zu setzen. Doch dann kam der Lichtblick: die damals erst 15-jährige Schwedin Greta Thunberg machte die Weltöffentlichkeit mit einer eindrucksvollen, sehr emotionalen Rede vor den Delegierten aller Länder zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Was darauf folgte, wissen wir alle: die mittlerweile mehrere Millionen Aktivisten umfassende Gruppierung „Fridays For Future“, welche seitdem wöchentlich in unzähligen Städten weltweit gegen die Untätigkeit der Politik in Sachen Klimawandel protestiert.

Februar 2019: Durch Degression und Sonderkürzungen steuerte die garantierte Einspeisevergütung im mittleren Anlagensegment auf eine Höhe zu, die rein EEG-finanzierte Anlagen nahezu unwirtschaftlich machte. Die regulatorischen Hürden und vertraglichen Herausforderungen für Direktlieferungen in Form von PPA (Power Purchase Agreements) waren und sind immer noch sehr hoch, so dass sich nur wenige Player im Grossanlagensegment überhaupt an das Thema heran wagen. Dies hat sich Ende 2019 etwas gebessert – Vertragswerke wurden standardisiert und immer mehr vergütungsfreie Anlagen entstehen auch in Deutschland.

März 2019: Der Modulhersteller Hanwha Q-Cells reicht gegen drei seiner Mitbewerber, nämlich die REC Group, Jinko Solar und Longi Solar auf mehreren Kontinenten Klagen wegen der vermeintlichen Verletzungen von existierenden Patenten auf deren Quantum-Zelle ein. Q-Cells war durchaus Vorreiter beim Einsatz der PERC-Technologie, doch die Kontrahenten wiesen den Vorwurf weit von sich und beharren auch heute noch darauf, diese Technologie selbst entwickelt zu haben und sie rechtmässig einsetzen zu dürfen. Mittlerweile wissen wir, dass die Patentrechtsklage zwar noch nicht entschieden, aber auch nicht mehr sehr erfolgsversprechend ist. Ein Zwischenbericht zur Patentprüfung in den USA hat die Nicht-Verletzung der wichtigsten der zur Debatte stehenden Patente bestätigt.

April 2019: Seit Anfang des Jahres gehen weltweit Schüler und Studenten immer freitags auf die Strasse und protestieren gegen die Untätigkeit der Politik, nein, der gesamten Generation ihrer Eltern und Grosseltern. Die Jugend will es nicht mehr hinnehmen, dass ihre Zukunft - genauer gesagt ein auskömmliches Leben - auf diesem Planeten auf leichtsinnige Art und Weise gefährdet wird. Leichtsinnig und ignorant, da die Fakten zu Ursachen und Auswirkungen der fortschreitenden Umweltzerstörung seit Jahrzehnten bekannt sind, sich aber über Absichtserklärungen hinaus noch nichts wirklich Entscheidendes in die richtige Richtung getan hat. Der CO2-Ausstoss und der daraus resultierende Temperaturanstieg der Atmosphäre, die Vermüllung der Weltmeere, das Artensterben – alles schreitet nach wie vor ungebremst voran, dringend notwendige Schritte werden jedoch gar nicht oder nicht in ausreichendem Masse eingeleitet.

Das am 20. September von der Grossen Koalition in Deutschland vorgestellte Klimapaket scheint zwar von den „Klimastreiks“ genannten Protesten und der Veränderung der öffentlichen Meinung zum Thema Klimaschutz beeinflusst worden zu sein, die darin enthaltenen Massnahmen sind aber vielen Oppositionspolitikern, allen voran den Grünen im Bundestag, den Wissenschaftlern, insbesondere aber den Jugendlichen auf der Strasse bei weitem nicht ambitioniert und wirksam genug. Die Ansätze für eine CO2-Steuer wirken mit einem Startpreis für 2021 von nur 10 Euro pro Tonne geradezu lachhaft gering – gefordert wurden mindestens 150 bis 180 Euro. Befragungen unter der Bevölkerung haben gezeigt, dass zum Beispiel die resultierende Verteuerung von Flügen oder Autofahrten nicht ausreicht, um irgendjemanden zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.

Der 2. Teil des Rückblicks, sowie ein kleiner Ausblick auf das kommende Jahr folgen im Dezember.

Zwischenfazit: Uns allen, denen die Zukunft unserer Nachfahren am Herzen liegt, ist schon lange klar: die bisherigen Massnahmen bewirken fast gar nichts, sind viel zu harmlos für die Dramatik der Situation, in der wir uns befinden. Da muss noch deutlich mehr getan werden, um die Erderwärmung auf ein noch gerade erträgliches Mass zu begrenzen und zwar schnell! Die Technologien sind bekannt und vorhanden, der Wille zum Wandel in breiten Schichten der Bevölkerung scheint ebenfalls da zu sein. Die nächste Chance, entscheidende Weichen zu stellen, hat die Weltgemeinschaft auf der UN Klimakonferenz im Dezember in Madrid.

Text: Martin Schachinger, pvXchange.com

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