Martin Schachinger: „2020 werden wir eine weitere Effizienzsteigerung bei Solarmodulen sehen, wobei die Tage der polykristallinen Module wohl gezählt sind.“ Bild: pvxchange.com

Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im Dezember 2019 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 10.12.2019). Bild: pvxchange.com

Pvxchange.com: 2019 - das Jahr des Umbruchs im Photovoltaikmarkt – Teil 2

(MS) Am 3. Dezember haben wir den ersten Teil des Jahresrückblicks zum Photovoltaikmarkt veröffentlicht. Hier folgt der zweite Teil, geschrieben aus dem Blickwinkel Deutschlands. Zum Beispiel über die fehlenden Fachkräfte, um die geplanten Solaranlagen überhaupt bauen zu können. Oder die Aufhebung des 52- Gigawatt-Deckels in Deutschland, der zwar im deutschen Klimapaket verankert wurde, aber ohne einen konkreten Termin zu nennen.


Juli 20
19: Dank der bis April durchgeführten Vergütungskürzungen im Bereich der mittleren bis grossen Neuinstallationen gerieten Kleinanlagen, bevorzugt mit Hybridwechselrichtern in Kombination mit Energiespeichern, zunehmend in den Fokus der Photovoltaik-Interessierten. Viele Handwerker zumindest in Deutschland bauten dieses Jahr fast ausschliesslich Kleinanlagen bis 30 Kilowattpeak. Zwar befinden sich deutsche Wechselrichterhersteller wie SMA und KOSTAL zunehmend unter dem Druck der grossen chinesischen Anbieter, doch im Kleinanlagensektor hatten sie bisher einen hohen Marktanteil. Von der gestiegenen Nachfrage schienen die etablierten Wechselrichterproduzenten jedoch überrascht worden zu sein, so dass die meisten Geräte aus dem Leistungssegment ab 5 Kilowatt bis 25 Kilowatt im Juni/ Juli sehr schnell ausverkauft waren. Plötzlich gab es in der PV-Branche wieder Lieferzeiten von mehreren Wochen oder gar Monaten!

Warum es zu diesem Engpass kommen konnte, ist nicht leicht zu verstehen, da die Prognosen für das Jahr 2019 ja genau diese Entwicklung vorhergesagt hatten. Aber auch passende Speicher für diese Anlagengrössen waren zeitweise Mangelware und sind es teilweise immer noch. Aber auch bei Solarmodulen fürchtete man Mitte des Jahres, auf einen Engpass zuzusteuern. Meldungen aus China deuten darauf hin, dass wir es zu einer beispiellose Jahresendrallye kommen könnte. Nach einem vergleichsweise sehr schwachen ersten Halbjahr gab es in den zwischenzeitlich durchgeführten Auktionen Zuschläge für fast 4.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 22.7 Gigawatt. Gleichzeitig wurden die für 2019 im Reich der Mitte prognostizierten Zubauzahlen auf rund 40 Gigawatt angehoben. Heute wissen wir, dass dieser Boom in Asien aufgrund wirtschaftlicher Zwänge und Hürden nie richtig in Gang gekommen ist, es daher auch keinen Modulengpass gab.

August 2019: Viele gesellschaftliche Gruppen und Interessensverbände, wie beispielsweise der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), forderten seit Monaten von der Bundesregierung, den 52-Gigawatt-Deckel aus dem EEG zu streichen. Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin schickte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in diesem Zusammenhang einen ausgedienten Klodeckel mit der Aufschrift „Der PV Deckel muss weg“. Auch Stimmen innerhalb der GroKo (Grossen Koalition) wurden laut, der Koalitionspartner CDU/CSU müsse seine Blockadehaltung beim 52-Gigawatt-Deckel endlich aufgeben.

Was die Beibehaltung des Deckels für Konsequenzen hätte, darüber spekulierte man an breiter Front: Die festgeschriebene Obergrenze, bei deren Erreichen die Förderung nach aktueller Gesetzeslage abrupt enden würde, wirke sich zunehmend negativ auf Investitionsentscheidungen in Photovoltaik-Anlagen aus. Nach dem Ende der gesetzlich verankerten Einspeisevergütung werde sich die Errichtung von Neuanlagen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur noch auf die Deckung des Eigenbedarfs beschränken, der Markt für Dachanlagen würde demzufolge drastisch einbrechen.

Mittlerweile wurde die Abschaffung des 52- Gigawatt -Deckels im Klimapaket zwar verankert, die Frage nach einer eventuellen Anschlussregelung aber noch nicht abschliessend geklärt, ein konkreter Termin nicht genannt.

Oktober 2019: Nachdem also kein Modulengpass auftrat, Wechselrichter und Speicher auch wieder erhältlich waren, was konnte uns noch ausbremsen bei der Installation von Photovoltaik auf allen zur Verfügung stehenden Flächen und damit bei der zügigen Umsetzung der Energiewende? Es war und ist: der Fachkräftemangel!

Nach dem grossen Zusammenbruch in der Solarbranche in den Jahren ab 2011 wanderten sehr viele Elektrofachkräfte in andere Branchen ab, so dass zumindest in Deutschland zahlreiche Arbeitskräfte und Fachleute im PV-Bereich fehlten. Viele Installationsaufträge konnten nicht angenommen oder aber nur mit sehr grosser Verzögerung abgearbeitet werden - Vorlaufzeiten für Elektrikerarbeiten von durchschnittlich 2 bis 3 Monaten noch im Juni waren erheblich auf bis zu 5 Monate im September gestiegen. Gerade kleinere Aufträge im Endkundensektor wurden für dieses Jahr schon gar nicht mehr angenommen. Durch diesen Montageengpass allein war und ist zu befürchten, dass Klimaziele im Stromsektor nicht oder nur sehr verzögert erreicht werden können. In Wissenschaft und Forschung, aber insbesondere auch in der Ausbildung von neuen Fachkräften muss in den kommenden Jahren gewaltig investiert werden. Dazu steht im Klimapaket der Bundesregierung leider ... nichts!

Dezember 2019: Eine weitere Chance, eine Einigung zu erzielen und die entscheidenden Weichen zu stellen, hatten die Regierungschefs auf der UN Klimakonferenz im Dezember in Madrid. Um die Delegierten zu ermutigen, wirklich entscheidende Massnahmen zu beschliessen und voranzubringen, gab es am 29. November nochmals einen grossen Klimastreik mit hunderttausenden Teilnehmern weltweit. Doch einmal mehr wurden nur halbherzige Absichtserklärungen verfasst und man versäumte, die dringend notwendigen, einschneidenden Veränderungen in unserem ressourcenverschlingenden Wirtschaftssystem auf den Weg zu bringen. So werden die Schüler von „Fridays For Future“, gemeinsam mit den Wissenschaftlern von „Scientists For Future“ und allen anderen Gruppierungen, die gegen den fortschreitenden Klimawandel eintreten, im neuen Jahr wohl weiter streiken müssen. Die Proteste werden irgendwann einmal Wirkung zeigen, soviel ist sicher. Denn es gibt keine Alternative, auch wenn viele Menschen vielleicht unsinnigerweise noch auf ein Wunder hoffen. Die negativen Zeichen der Klimaerwärmung sind allerorts schon klar erkennbar.

Ausblick: Im Energiesektor werden die regenerativen Energieträger eine tragende Rolle spielen, das ist mittlerweile breiter Konsens. Dazu müssen zügig alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, die eine Nutzung ausserhalb des staatlich geförderten Rahmens momentan noch behindern. Hierzu gehören bürokratische Hürden bei der Umsetzung von Mieterstrommodellen und Bürgerenergieanlagen, zu hohe Netzdurchleitungsentgelte, Steuern und vor allem die EEG-Umlage auf direkt gelieferten oder selbstgenutzen Strom aus PV- und Windkraftanlagen. Einige Erleichterungen werden wir bereits in 2020 sehen, allen voran den Wegfall des 52-Gigawatt-Deckels für PV-Anlagen im deutschen EEG. Unabhängig davon, wie hoch oder wie niedrig die staatlich garantierte Einspeisevergütung in Zukunft sein wird, sie ist ein wichtiges Instrument, um Banken und Investoren einen wirtschaftlichen Anreiz zu geben und die Planungssicherheit zu gewährleisten.

Auf der technologischen Seite werden wir eine weitere Effizienzsteigerung bei Solarmodulen sehen, wobei die Tage der polykristallinen Module wohl gezählt sind. Fast alle grösseren Hersteller haben ihre Produktionslinien auf rein monokristalline Zellen und Module umgestellt. Das Preisniveau wird sich dabei allenfalls noch geringfügig nach unten bewegen, solange es sich um keine Lagerräumungs- beziehungsweise Notverkäufe dreht. Das Ende der abwärts zeigenden Preisschraube durch effizientere Fertigungstechnologien und vor allem durch Skalierung scheint zumindest bei siliziumbasierten Produkten erreicht zu sein, das zeigen auch die seit Monaten seitwärts verlaufenden Preiskurven im pvXchange-Photovoltaikpreisindex.

Ein interessanter Trend im Windsektor wurde im November auf dem Forum Neue Energiewelt in Berlin vorgestellt: schwimmende Windkraftanlagen. Der Verzicht auf im Meeresboden verankerte Fundamente und damit starre Strukturen erlaubt die Erschliessung von neuen Offshore-Gebieten und die Vergrösserung der Windturbinen über die 10-GW-Leistungsgrenze hinaus. Dennoch bleibt zu hoffen, dass die angekündigte neue Abstandsregelung für Onshore-Windkraftanlagen in Deutschland nochmals überdacht wird. Diese Turbinen helfen nun einmal dabei, überdimensionierte und teure Stromtrassen zu vermeiden, die ja ähnliche Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung haben, wie die modernen grossen Windkraftanlagen. Als probates Mittel zur Akzeptanzverbesserung eignet sich die Einbeziehung und finanzielle Beteiligung der Anwohner. Hier können wir uns in Zukunft auf immer neue Ideen und innovative Modelle freuen. Die Klimakrise ist nun mal nicht von Einzelnen, sondern nur gemeinsam zu bewältigen!

Text: Martin Schachinger, pvXchange.com

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