Kohlenstoff-Kreislauf: Das Treibhausgas CO2 wird im Boden in Methan verwandelt. So entsteht «klimaneutrales» Erdgas. Illustration: RAG

Pilotprojekt: Die Anlage der RAG Austria pumpt Wasserstoff in die Erde. Bild: Karin Lohberger / RAG

Empa: Die Sonne im Boden speichern

(Empa) Die Empa ist an einem internationalen Forschungsprojekt beteiligt, das eine unkonventionelle Lösung der Energiespeicherung für's Winterjahr ins Auge fasst: Erneuerbarer Wasserstoff und Kohlendioxid werden zusammen in den Boden gepumpt, wo natürlich vorkommende Mikroorganismen die beiden Stoffe in Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, umwandeln. (Texte en français >>)


«Underground Sun Conversion»: Die vom österreichischen Energieunternehmen RAG Austria AG patentierte Technologie mit dem spannenden Namen bietet einen Weg, um erneuerbare Energie saisonal und in grossem Massstab zu speichern und ganzjährig verfügbar zu machen. Im Sommer wird dabei überschüssige erneuerbare Energie – beispielsweise Solarstrom – in Wasserstoff (H2) umgewandelt. Dieser wird dann zusammen mit Kohlendioxid (CO2) in natürlichen Untergrundspeichern – zum Beispiel ehemaligen Erdgaslagerstätten – in über 1000 Metern Tiefe eingelagert.

Mikroorganismen aus der Urzeit
Dort kommen dann die kleinen Helferchen ins Spiel: Mikroorganismen aus der Urzeit, sogenannte Archaeen, wandeln über ihren Stoffwechsel Wasserstoff und CO2 zu erneuerbarem Methan (CH4) um. Archaeen sind auf der ganzen Welt verbreitet, vorwiegend in anaeroben, also sauerstoffarmen Umgebungen, und sie waren vor Millionen von Jahren bereits für die Umwandlung von Biomasse in Erdgas verantwortlich. Durch die Zuführung von Wasserstoff und CO2 in geeignete poröse Sandsteinlagerstätten wird dieser Prozess quasi von neuem gestartet. Das dort unten «hergestellte» Methan kann dann im Winter den Speichern wieder entzogen und als CO2-neutrales Erdgas vielfältig genutzt werden.

Die Suche nach geeigneten Standorten
Zur Weiterentwicklung der Technologie haben sich nun österreichische und Schweizer Energieunternehmen und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen. In einem vom europäischen Forschungsrahmenprogramm ERA-Net und hierzulande vom Bundesamt für Energie (BFE) geförderten Projekt werden in den nächsten zwei Jahren die technischen und wirtschaftlichen Potenziale in der Schweiz und Österreich ausgelotet. In der Schweiz sind das Energieunternehmen Energie 360°, die Empa, die Universität Bern und die Ostschweizer Fachhochschule OST beteiligt. Die Empa entwickelt dabei eine Perspektive auf das gesamte Energiesystem: «Wir schauen uns an, wann und wo Überschussstrom anfällt, wo geeignete CO2-Quellen wären und wo letztlich auch die Nachfrage nach erneuerbarem Erdgas vorhanden ist», erklärt Martin Rüdisüli von der Empa-Abteilung «Urban Energy Systems». Zusammen mit den geologischen Voraussetzungen, die von der Universität Bern untersucht werden, und den ökonomischen Randbedingungen, die von der OST erarbeitet werden, soll daraus eine Landkarte mit möglichen Standorten für die Anwendung der «Underground Sun Conversion»-Technologie entstehen.

Martin Rüdisüli hält die Technologie für vielversprechend. Insbesondere deshalb, weil sie neben der biologischen Methanisierung auch gleich eine Antwort auf das saisonale Speicherproblem liefert: «Auch bei einem grossen Anstieg der Methangasproduktion bräuchte es dank der natürlichen Speicher im Erdinnern keinen Ausbau der oberirdischen Speicherinfrastruktur», sagt er.

Methan für rund 1 Million Gasfahrzeuge
Die Volatilität der erneuerbaren Energiequellen stellt eine der grossen Herausforderung der Energiewende dar. Im Winter haben wir grundsätzlich zu wenig erneuerbaren Strom, im Sommer zu viel. In einer früheren Studie zum Potenzial der «Power-to-Gas»-Technologie – also der Umwandlung von erneuerbarem Strom in chemische Energieträger wie Wasserstoff oder Methan – in der Schweiz prognostizierte Empa-Forscher Rüdisüli einen Überschuss von gut 10 TWh Solarstrom in der Schweiz in den nächsten Jahrzehnten – vorausgesetzt ein Grossteil der geeigneten Dachflächen würde mit Photovoltaik ausgebaut, was wiederum nötig ist, wenn damit der wegfallende Atomstrom ersetzt werden soll. Wandelt man den Überschussstrom im Sommer in Methan um, liessen sich damit rund eine Million Gasfahrzeuge ganzjährig erneuerbar betreiben. «Die Umwandlung von erneuerbarer Elektrizität in saisonal speicherbare Energieträger ist ein wichtiger Pfeiler eines dekarbonisierten Energiesystems», so Rüdisüli. Resultate dieser früheren «Power-to-Gas»-Studie dienen auch als Grundlage für das laufende Projekt und werden dort nun entsprechend der techno-ökonomischen Randbedingungen der «Underground Sun Conversion»-Technologie verfeinert.

Text: Empa

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1 Kommentare

Max Blatter

Beim Lesen der Schlagzeile dachte ich zunächst an die saisonale Speicherung von Wärme im Erdreich, die ja in manchen Nullenergiehäusern schon erfolgreich angewendet wird.

Aber das hier klingt spannend! Um die neue Technologie im Vergleich zum herkömmlichen "Power-to-Gas"-Prozess einordnen zu können, interessieren mich vor allem Dinge wie der Gesamt-Wirkungsgrad und in diesem Fall auch die Umwandlungsleistung der Methanbakterien, oder anders gefragt: Welches Volumen muss bereitgestellt werden, um die auf einer bestimmten Fläche einfallende sommerliche Solarstrahlung speichern zu können? Ich gespannt, mehr zu lesen!

Und, apropos: Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass bei ähnlichen Projekten von Anfang an grobe Schätzungen der zu erwartenden Kennwerte genannt werden. Solche Assessments werden ja mit Sicherheit im Vorfeld gemacht, um über das "Go or No-Go" eines Foschungsprojektes zu entscheiden. Warum also die Resultate und Perspektiven nicht gleich von Anfang an offen kommunizieren, auch wenn es "nur" theoretische Werte sind? Theorie ist nicht nur "grau", sondern bewahrt die Forschung vor manch kostspieliger Sackgasse; man sollte ihr Licht niemals unter den Scheffel stellen!

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