"Nicht ganz ausgeschlossen ist zudem, dass Fracking-Gas aus den USA den Weg in unsere Tankstellen findet." Anita Niederhäusern

Flüssiggas: Der letzte „grüne“ Schrei? Oder ein grünes Mäntelchen?

(WS) Neben der Pressemeldung von Lidl sind in den Medien immer wieder Meldungen zu lesen, die Flüssiggas (LNG) als eine nachhaltige Alternative zu Diesel anpreisen. Seien es mit LNG betriebene Lastwagen oder gar Kreuzfahrtschiffe. Jüngstes Beispiel ist Lidl, das Tankstellen mit angeblich „fossilfreiem flüssigem Biogas“ anpreist. Anlass genug, ein paar Aussagen richtigzustellen.


Lidl rühmt sich zum Beispiel damit, eine „innovative“ Flüssiggastankstelle in Kerzers in Betrieb genommen zu haben. Flüssiggas gibt es schon lange, neu ist nur die Tankstelle bei der Firma Krummen in Kerzers. Auch Verbrennungsmotoren, die mit Flüssiggas betrieben werden, sind nicht der letzte Schrei. Sicher sind in letzter Zeit noch technische Fortschritte hinzugekommen. Trotzdem ist LNG alles andere als eine fossilfreie Alternative. Interessant ist auch, was einer der Partner von Lidl dazu zu sagen hat: „Um dem Ruf nach Reduktion der Umweltbelastung nachzukommen, sucht auch die Logistikbranche Alternativen zum Diesel. Eine davon ist das flüssige Erdgas LNG. (CEO Krummen Kerzers AG).“ Also hat auch der Diesel-Skandal beim Lidl-Entscheid eine Rolle gespielt.

Doch noch kein fossilfreies flüssiges Biogas
Lidl beabsichtigt, die Tankstellen – auch in Weinfelden sind solche geplant – ausschliesslich mit Biogas zu betreiben. Das Unternehmen schreibt: „Als besonderes Highlight hat Lidl Schweiz die Tankstelle als Demonstrationsprojekt mit fossilfreiem flüssigem Biogas (LBG) eröffnet. Damit beweist Lidl Schweiz, dass es bereits heute technisch und logistisch möglich ist, Transporte im Schwerlastverkehr fossilfrei betreiben zu können. Bis LBG für einen ökonomischen Einsatz bereit ist, wird Lidl Schweiz in Zusammenarbeit mit seinen Partnern die Flüssiggas-LKW-Flotte mit LNG betreiben. Denn LNG ist ab sofort einsatzbereit und bietet somit eine sinnvolle Brücke in eine nachhaltigere Zukunft.“ Abgesehen davon, dass LNG ganz und gar nicht fossilfrei ist, ist auch Biogas (LBG) nicht ohne beträchtlichen (fossilen) Energieaufwand herzustellen. (Siehe auch ASPO Newsletter 103 vom April 2016 >>) Bei Biotreibstoffen kommt noch das Problem der Herstellung dazu: Werden sie nur aus Abfällen oder auch aus Landwirtschaftsprodukten hergestellt? Mal abgesehen davon, dass landwirtschaftliche Abfälle zurück auf die Felder gehören. Vor allem bei importiertem Biogas ist die Art der Herstellung oft schwer zu verifizieren. Daher hat der Bund einige Schranken aufgebaut. Ein Nachteil seien die hohen Importzölle für derlei Gas, sagt der Luzerner Ständerat und UREK-Mitglied Damian Müller. Hier sei nun die Politik gefordert. Was technisch und logistisch möglich ist, muss aber nicht ökonomisch sein. Also werden die-Lidl Flotten noch eine Weile mit fossilem Erdgas betrieben werden.

Fracking-Gas aus den USA?
Abgesehen vom Gas aus Russland, das hauptsächlich über Pipelines nach Europa gelangt, wird in Europa auch Erdgas aus Algerien, Katar und Nigeria verbraucht. Dieses kommt als Flüssiggas auf Tankern. Achtung, die Verflüssigung und Wiedervergasung verbraucht etwa 10 % der Energie, also reduziert sich der EROI (Energierendite). Nicht ganz ausgeschlossen ist zudem, dass Fracking-Gas aus den USA den Weg in unsere Tankstellen findet. Flüssiggas hat den grössten Anteil an den Gas-Exporten der USA, es wird mit Tankern verschifft. Zurzeit geht der Hauptteil noch Richtung Asien und dort insbesondere nach China sowie nach Südamerika. Ein geringerer Teil wird in die baltischen Staaten geliefert und in nächster Zukunft vielleicht auch nach Deutschland. Ende Juni kritisierte der Verband der Schleswig-Holsteinischen Energie- und Wasserwirtschaft (VSHEW) den politischen Beschluss zur Förderung einer Flüssiggas-Infrastruktur in Norddeutschland aufs Schärfste. Damit würde Infrastruktur für US-Frackinggas vom Verbraucher bezahlt, das sei purer Irrsinn (siehe ee-news.ch 26.6.19 >>). Woher genau die Lidl-Tankstellen das LNG beziehen, ist aus der Pressemeldung nicht herauszulesen.

Null-CO2-Ausstoss
Es bleiben viele Fragezeichen bezüglich LNG und angeblich „grünem“ Flüssiggas. Die Meldung von Lidl hat mich an eine Aussage eines ehemaligen Arbeitskollegen erinnert: „Der Unterschied zwischen Diesel und Benzin gegenüber Gas entspricht ungefähr dem zwischen Heroin und Kokain.“ Dagegen ist eines glasklar: Statt über Innovationen und Nachhaltigkeit zu schwadronieren, wäre es angebrachter, den Null-CO2-Ausstoss (nicht Netto-Null-Emissionen) seriös zu planen.

Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin und Herausgeberin ee-news.ch

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1 Kommentare

Max Blatter

Der Begriff "Flüssiggas" bezeichnet keine EnergieRESSOURCE, sondern einen EnergieTRÄGER. Flüssiggas kann "stinknormales" Erdgas sein (englisch "natural gas", "natural" ist sozusagen das Gegenteil von "Bio"). Es könnte reines Biogas sein, aber auch ein Gemisch aus Erdgas und Biogas. Es könnte auch aus Power-to-Gas-Anlagen stammen; da wäre es dann wichtig zu wissen, woher der verwendete Strom stammt: Fotovoltaik, Wind (gut) oder undeklarierter "Graustrom" (nicht gut) ... Eine komplexe Sache; wer damit seriös handeln will, braucht viel Fachkompetenz. Ob die bei einem Detailhändler wie Lidl vorhanden ist, bezweifle ich sehr. – Was die Politik tun kann: Die Pflicht zu einer seriösen und verständlichen Deklaration gesetzlich verankern!

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