Luftansicht der Wasserfassung mit dem Einstaubereich des Stadt-Kleinwasserkraftwerks Dünnern, das das Wasser des Flusses Dünnern turbiniert, das bis dahin ungenutzt durch den Betonkanal floss. Bild: ADEV

Zurück auf Feld 2: Der gesamte innere Teil der Kraftwerkszentrale, sprich die Turbine, der Trafo, die Steuerschränke etc., musste ausgebaut bzw. herausgespitzt werden. Bild: Arno Günzl

Ein trivialer Baufehler führte dazu, dass das Stadt-Kleinwasserkraftwerk Dünnern kaum in Betrieb wieder stillgelegt und saniert werden musste. Bild: Arno Günzl

Arno Günzl: „Wir haben die Planung und den Bau in Auftrag gegeben, in der Annahme, dass die Unternehmen beides nach den Regeln guter Ingenieurskunst, wie es so schön heisst, ausführen.“

Kleinwasserkraftwerk Dünnern: Zurück auf Feld 2 wegen trivialem Baufehler

(AN) Mitte 2020 ging das Stadt-Kleinwasserkraftwerk Dünnern in Olten nach einer Totalsanierung wieder ans Netz. Das Kraftwerk war erst Ende 2015 in Betrieb genommen worden. Das Bauwerk, das rund ein Jahr lang stillgelegt war, musste aufgrund eines trivialen Baufehlers komplett entkernt und neu aufgebaut werden.


Mitten in Olten im Schweizer Mittelland nahm die ADEV Wasserkraftwerk AG Ende 2015 das Stadt-Kleinwasserkraftwerk Dünnern in Betrieb. Das Kraftwerk turbiniert das Wasser, das bis dahin ungenutzt durch den Betonkanal des Flusses Dünnern floss. Die ADEV aus Liestal nutzte damals die Gelegenheit der Kanalsanierung, um ein 375 kW-Kleinwasserkraftwerk einzubauen, das jährlich rund 1.6 Mio. Kilowattstunden Strom produzieren sollte.

Nach bestem Wissen und Gewissen
Da das Kraftwerk in einem Wohngebiet liegt und auf Fels gebaut verankert wurde, liess die ADEV eine elastische Lagerung des zentralen Gebäudeteils ausführen, um die Vibrationen der Turbine vom Fundament der Kraftwerkszentrale zu entkoppeln und Beeinträchtigungen der Nachbarschaft zu vermeiden. „Seltsamerweise trat unmittelbar nach der Inbetriebnahme Wasser aus der Isolationsfuge aus“, erinnert sich Arno Günzl, Mitglied Geschäftsleitung und Leiter Betrieb der ADEV Energiegenossenschaft. Doch diesem Umstand wurde keine besondere Beachtung geschenkt: „Denn zu diesem Zeitpunkt war die Dämpfwirkung der Isolationsschicht selbst mit blossen Händen gut zu spüren.“

Elastische Entkoppelung ungenügend
Ein gutes Jahr nach der Inbetriebnahme beschwerten sich im März 2017 Anwohner über Vibrationen und Lärm des Kraftwerks. Die ADEV nahm die Beschwerden auf und beauftragte das Unternehmen ZC Ziegler Consultants, Vibrations- und Schallmessungen durchzuführen. Da 2017 sehr niederschlagarm war und somit nur sehr geringe Abflüsse in der Dünnern vorhanden waren, konnten die Messungen erst im Januar 2018 durchgeführt werden. Das Ergebnis gab den Anwohnern recht: Die elastische Entkoppelung sei im Vergleich zu einem optimal entkoppelten System viel zu gering, schrieben die Fachleute in ihrem Bericht. Dadurch breiteten sich die Vibrationen der Turbine vom Kraftwerk auf den Felsen und weiter auf die benachbarten Gebäude aus, wo sie zu störendem Lärm führten.

"Für den Gebrauch untauglich"
Nun gab die ADEV gemeinsam mit dem Planer und den Bauunternehmern bei Basler & Hofmann ein weiteres Gutachten in Auftrag, um die Ursache des Wassereinbruchs und allfällige Planungs- oder Ausführungsfehler zu eruieren. Auch das Fazit dieses Gutachtens war eindeutig: Das Wasserkraftwerk weise bezüglich der Körperschallentkoppelung erhebliche Mängel auf, so dass es "für den Gebrauch untauglich" sei und saniert werden müsse, schrieben die Gutachter.

Beton-Bindelöcher nicht abgedichtet
Was die Gutachter vermuteten, bestätigte sich beim Rückbau: Die Bindelöcher der Beton-Kraftwerkhülle waren nicht abgedichtet worden, so dass kalkhaltiges Grundwasser ins Kraftwerksgebäude eindrang und das poröse Isolationsmaterial für die Entkoppelung versteifen liess. Es wurde sozusagen ausser Gefecht gesetzt, so dass sich die Vibrationen des Kraftwerks über den Fels bis zu den Nachbargebäuden ausbreiten konnten. Arno Günzl: „Eine sorgfältige Abdichtung der Kraftwerkszentrale wurde weder vom Planer geplant noch vom Unternehmer ausgeführt.“ Ein trivialer Fehler.

Alles aus- und wieder einbauen
Um die sogenannte Körperschallentkoppelung wieder herzustellen, musste der gesamte innere Teil der Kraftwerkszentrale, sprich die Turbine, der Trafo, die Steuerschränke etc., ausgebaut bzw. herausgespitzt werden. Die Rückbauarbeiten fanden von Mitte September 2019 bis Mitte Januar 2020 statt. Danach musste alles wieder eingebaut werden. Seit Juni 2020 produziert das Stadt-Kleinwasserkraftwerk wieder Strom.


„Das Grundwasser spritzte aus der Betonhülle ins Innere Kraftwerks“

Wer hat welche Fehler gemacht und wer steht dafür gerade? Ein Gespräch mit Arno Günzl, Mitglied Geschäftsleitung und Leiter Betrieb der ADEV Energiegenossenschaft.

War es von Anfang an klar, wo der Fehler lag oder wurde darum gestritten?
Arno Günzl: Wir haben den Rückbau schrittweise mit dem Planer und dem Bauunternehmen vor Ort begleitet. Als die ersten Betonteile herausgespitzt wurden, spritzte das Grundwasser förmlich aus den nicht abgedichteten Löchern der Betonhülle ins Innere des Kraftwerks. Dass ein grober Fehler vorlag, war somit offensichtlich.

Wie gross ist der finanzielle Schaden für die ADEV Wasserkraftwerk AG?
Die Gesamtkosten der Sanierung liegen bei rund 1 Mio. CHF, darin enthalten ist auch der Ertragsausfall von rund 230'000 CHF. Aufgrund der vorgefundenen Planungs- und Werkmängel wird der Löwenanteil der Kosten voraussichtlich von den Haftpflichtversicherungen der beteiligten Unternehmen getragen werden.

Der Anteil der ADEV könnte sich auf einen sechsstelligen Betrag belaufen. Hier argumentieren die Versicherungen unter anderem, dass die neue Schallfuge aus einem höherwertigen, nicht porösen Material besteht. Nicht gedeckt ist auch ein Teil des Aufwand der ADEV für die Schadensbearbeitung und die Unterstützung durch einen Juristen.

Inwiefern trifft die ADEV eine Schuld?
Wir haben die Planung und den Bau in Auftrag gegeben, in der Annahme, dass die Unternehmen beides nach den Regeln guter Ingenieurskunst, wie es so schön heisst, ausführen. Die Gutachten haben gezeigt, dass eine Nutzungsvereinbarung, in der normalerweise die grundlegenden Anforderungen an ein geplantes Werk, also beispielsweise dessen Wasserdichtigkeit, festgehalten werden, vom Planer gar nicht erst erstellt wurde. Wir hätten überprüfen müssen, dass dieses Dokument Bestandteil des Bauauftrags ist.

Abgesehen davon gehört aus unserer Sicht jedoch zum Einmaleins von Bauarbeiten, dass Beton-Bindelöcher unterhalb der Grundwasserlinie zwingend dicht verschlossen werden müssen. In Zukunft werden wir selbstverständlich keine Aufträge mehr erteilen, ohne darauf zu achten, dass Nutzungsvereinbarung vorliegt, an der sich alle ausführenden Unternehmen orientieren müssen.

©Text: Anita Niederhäusern, im Auftrag der ADEV Energiegenossenschaft

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1 Kommentare

Max Blatter

Na ja: Wo gearbeitet wird, passieren Fehler! "Sogar" bei Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Ärgerlich für diejenigen, die den Schaden bezahlen müssen; erfreulich, dass die Anlage nun anscheinend den "grünen Strom" produziert, den sie von Anfang an produzieren sollte.

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