In einem lebenswerten Quartier muss vor allem der öffentliche Raum attraktiv sein, hat Sabrina Contratto, Architektin, Gründerin und Leiterin der CONT-S GmbH, immer wieder festgestellt. Bild: ZHAW

«Zuhören, klären, diskutieren, präsentieren und festlegen» machte Christine Steiner Bächi von KOS PartnerInnen GmbH als zentrale Punkte aus, und zwar in allen Phasen: Planung, Vorstudien, Projektierung, Ausschreibung und Realisierung. Bild: ZHAW

In einem Forschungsprojekt hat Reto Häfliger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern, die Lichtverhältnisse im Verteilzentrum Härkingen untersucht. Bild: ZHAW

Marie Glaser, Leiterin des Wohnforums der ETH Zürich, wies darauf hin, dass Gebäude einen Lebenszyklus von 80 oder mehr Jahren haben, aber die Ansprüche an Wohnräume sich in viel kürzeren Zeitabschnitten fundamental wandeln. Bild: ZHAW

Die Referierenden des Schweizer Bauforums. Bild: ZHAW

4. Schweizer Bauforum: Der Mensch im Zentrum des Bauens– in allen Phasen zuhören, klären, diskutieren, präsentieren und festlegen

(ZHAW) Gebaut wird fast immer für den Menschen. Aber zu oft wird dabei der Mensch vergessen. Das war der Tenor am 4. Schweizer Bauforum, das am Mittwoch, 17. November 2021, Bau- und Immobilienfachleute in die Suurstoffi nach Rotkreuz oder vor die Bildschirme lud. Wenn der Neubau fertig ist, aber alle unzufrieden sind, hat das nicht selten mit dem Prozess der Bauplanung und -durchführung zu tun.


Mehrere Vortragende zeigten auf, dass menschenzentriertes Bauen nur gelingt, wenn von Anfang an die Bedürfnisse der Betroffenen abgefragt werden. «Zuhören, klären, diskutieren, präsentieren und festlegen» machte Christine Steiner Bächi von KOS PartnerInnen GmbH als zentrale Punkte aus, und zwar in allen Phasen: Planung, Vorstudien, Projektierung, Ausschreibung und Realisierung.

Flexible Grundrisse machen Gebäude flexibel
Marie Glaser, Leiterin des Wohnforums der ETH Zürich, wies darauf hin, dass Gebäude einen Lebenszyklus von 80 oder mehr Jahren haben, aber die Ansprüche an Wohnräume sich in viel kürzeren Zeitabschnitten fundamental wandeln. Um heute Wohnungen zu planen, die für die Dauer ihres ganzen Lebenszyklus’ attraktiv sind, müssten sie mit flexiblen Grundrissen auf die sich verändernden Ansprüche reagieren können. Ein Mix aus privat und gemeinschaftlich genutzten Räumen könne diese Anpassung am besten leisten.

In einem lebenswerten Quartier muss vor allem der öffentliche Raum attraktiv sein, hat Sabrina Contratto, Architektin, Gründerin und Leiterin der CONT-S GmbH, immer wieder festgestellt. Sie plädiert dafür, in sogenannten 10-Minute-Neighbourhoods zu denken: In einem Radius von rund 800 Metern und damit rund zehn Fussminuten wohnen, arbeiten und leben rund 10’000 Menschen. Städte müssten so geplant werden, dass sie in diesem Radius alle Bedürfnisse befriedigen können, forderte Contratto.

Besser lüften in Schulzimmern
Ein Innenraum kann nur angenehm sein, wenn die Bewohner nicht krank werden. «Eine Investition in die Luftqualität zahlt sich immer aus», betont Roger Waeber, Leiter Fachstelle Wohngifte im Bundesamt für Gesundheit BAG. Denn sonst würden die Bewohnenden weniger und vor allem langsamer arbeiten und mittelfristig krank werden. «Nur 40 Prozent der Planenden denken bei der Auswahl der Materialien an diesen Aspekt», sagte Waeber. Zu den aktuellen Diskussionen im Zusammenhang mit Corona hat er eine klare Meinung: «Man hätte schon immer besser lüften sollen in Schulzimmern.»

Gebäude könnten nur gesünder werden, wenn die Raumluft feuchter werde, wie Oliver Zimmermann, CEO der Condair Group, ausführte. «Die relative Luftfeuchtigkeit hat entscheidende Auswirkungen auf Gesundheit und Leistungspotenzial», sagte Zimmermann. Auf die Innenraumqualität wirkten auch physische, psychosoziale, physikalische und chemische Einflüsse, führte Reto Fritschi, Consultant bei Amstein+Walthert AG, aus.

In den zukünftig immer heisseren Sommernächten könne eine Bettenkühlung vor allem älteren Menschen helfen, entspannt zu schlafen, erklärte Markus Koschenz, Dozent am Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE der Hochschule Luzern. Das werde vor allem dort wichtig, wo die Fenster in der Nacht nicht geöffnet werden könnten.

Gesundheit im Gebäude und schon auf der Baustelle
Gesundheit beginnt aber schon beim Bauen selbst. Yvonne Straub, Expertin Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Suva, zeigte mit eindrücklichen Beispielen, dass die Gesundheit der Arbeitenden auf der Baustelle massiv gefährdet wird. «Ergonomie ist kein nice to have», sagte Straub, «sondern Pflicht der Arbeitgeber.» Das gelte auch für schlechte Arbeitsplätze etwa für Pflegepersonal oder für Getränkelogistiker.

Auch die Lichtverhältnisse
Auch in Briefverteilungszentren kann mit richtigen Massnahmen deutlich gesünder gearbeitet werden. In einem Forschungsprojekt hat Reto Häfliger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern, die Lichtverhältnisse im Verteilzentrum Härkingen untersucht. Mit dem Einsatz von LED-Lampen konnte er die Bedingungen so verbessern, dass die Augen der Mitarbeitenden beim Entziffern schwer lesbarer Etiketten weniger ermüdeten.

Die richtigen Materialien für die Raumakustik
Thiébaut Parent, Senior Consultant von Drees & Sommer, stellte Materialien vor, die nicht nur die Raumakustik verbessern, sondern auch nachhaltig sind. Sie entsprechen dem Prinzip des «Cradle to Cradle». Diese «Von der Wiege zur Wiege»-Idee besagt, dass alle Stoffe nach dem Bauen demontiert, voneinander getrennt und wiederverwendet werden können. Zusätzlich werde der Schall von Rohstoffen wie Alge absorbiert und konnte ein nach diesen Prinzipien hergestellter Teppich sogar die Luft reinigen.

Das 4. Schweizer Bauforum fand in der Suurstoffi in Rotkreuz statt und wurde vor allem von Bau- und Immobilienfachleuten besucht. Es wird veranstaltet vom Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE und vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS).

Über das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS

Ziel des NNBS ist es, das nachhaltige Bauen in der Schweiz zu fördern. Mit über 150 Mitgliedern aus Wirtschaft, öffentlicher Hand, Forschung und Bildung ist es breit abgestützt. Das ermöglicht es ihm, die Kräfte zu bündeln und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Indem es pragmatische Instrumente bereitstellt und für die nötigen Rahmenbedingungen sorgt, fördert es die Umsetzung in die Praxis.

Präsentation der Vortragenden und die Poster der Ausstellung >>

Text: Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Institut Gebäudetechnik und Energie IGE

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