Insbesondere die generelle Einordnung der Windenergie im „überragenden öffentlichen Interesse“ und dass sie „der öffentlichen Sicherheit“ dienen im Bundesnaturschutzgesetz, ist ein wichtiger Schritt. ©Bild: GAIA mbH, Lambsheim

Deutschland: 10 Forderungen zu Beschleunigung des Windkraftausbaus – substanzielle Anpassungen der BNatSchG-Formulierungshilfe gefordert

(PM) Die Energieverbände BDEW, BEE, BNE, BWE, VDMA und VKU begrüssen das Engagement der deutschen Bundesregierung für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Allgemeinen und für den Ausbau der Windenergie an Land im Speziellen. Das vorgelegte Gesetzespaket enthält bereits zahlreiche Verbesserungen, die allerdings nicht ausreichen, um die ambitionierten Ausbauziele aus dem EEG zu erreichen. In einem gemeinsamen Appell wenden sich die Energieverbände an den Deutschen Bundestag, die durch das Bundeskabinett beschlossene Formulierungshilfe zum Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) dringend zu überarbeiten. Der Ausbau der Windenergie an Land darf nicht durch neue Regelungen und Rechtsunsicherheiten weiter verzögert werden. Im Gegenteil: Es braucht eine massive Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren, um die Ziele aus dem EEG erreichbar zu machen.


Um die Klimaschutzziele und den Ausbau der Windenergie an Land zu erreichen, halten wir im parlamentarischen Verfahren die Berücksichtigung folgender Forderungen bei der Novellierung des BNatSchG für unabdingbar:

  1. Das Gesamtkonzept des Gesetzes muss die aktuelle Empfehlung der EU-Kommission berücksichtigen, wonach das Töten oder Stören einzelner Exemplare wildlebender geschützter Arten kein Hindernis für die Entwicklung von Projekten der erneuerbaren Energien sein darf, soweit die Tötung nicht absichtlich erfolgt, ggfls. angemessene Massnahmen ergriffen werden, und die Population der Art nicht gefährdet wird.

  2. Es ist klarzustellen, dass der Nahbereich kein Tabubereich ist und dass im zentralen Prüfbereich die Anhaltspunkte für ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko überprüft, nicht widerlegt werden müssen. Jedenfalls ist zuregeln, in welchen Fällen die Anhaltspunkte bei einer HPA nicht vorliegen: Die Habitatpotentialanalyse (HPA) muss als Bewertungsmethode mit klarem Bewertungsmassstab im Gesetz geregelt werden.

  3. Die Liste kollisionsgefährdeter Brutvogelarten ist als abschliessend zu definieren. Arten und Prüfbereiche sind an den UMK-Signifikanzrahmen und bestehende Länderregelungen anzupassen und als Maximalstandard zu definieren.

  4. Es müssen klare Regelungen für die Erfassung der zu berücksichtigenden Brutvogelarten aufgenommen werden. Es ist klarzustellen, dass im erweiterten Prüfbereich keine Horstkartierung oder weiterführende Untersuchungen erforderlich sind. Die Beweislast eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos entgegen der Regelvermutung muss hier bei der Behörde liegen. Im äusseren Prüfbereich findet lediglich eine Datenabfrage statt.

  5. HPA: Es gilt festzustellen: Liegt am geplanten Standort eine nur leicht bessere, gleichwertige oder schlechtere Habitateignung vor als im Umfeld, kann ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko (seT) ausgeschlossen werden. Ein seT kann nur gegeben sein, wenn auch eine deutlich erhöhte Habitatqualität am unmittelbaren WEA-Standort vorliegt.

  6. Es muss eine Ermächtigungsgrundlage für die Probabilistik ergänzt und bis Mitte 2023 eine gesetzliche Regelung dazu implementiert werden.

  7. Es gilt klarzustellen, dass Schutzmassnahmen nur zu prüfen sind, sofern die Signifikanzschwelle überschritten wurde und dass durch sie kein Null-Risiko erzielt werden muss. Für jede Vogelart muss mindestens eine wirksame, zumutbare Schutzmassnahme geregelt werden Die Ausführungen zu den Schutzmassnahmen und zur Zumutbarkeitsschwelle sind dringend auf Praxisauswirkungen zu prüfen. Unstimmigkeiten zwischen Gesetzestext und Massnahmenbeschreibung im Anhang zum Gesetz müssen aufgelöst werden. Es müssen alle Massnahmen und Investitionskosten berücksichtigt werden. Die Abschaltverluste werden ex-post über eine Anpassung des EEG-Zuschlagswerts berücksichtigt.

  8. Ausnahmeprüfung: Die Neuregelung der Alternativenprüfung und der Nichtverschlechterung des Erhaltungszustands sind dringend auf Rechtssicherheit und Praxistauglichkeit zu prüfen. Bis zum Erreichen der Klimaziele gibt es keine Standortalternativen ausserhalb von Natura 2000 Gebieten; sensible Gebiete werden auf Natura 2000-Gebiete begrenzt; beim Erhaltungszustand wird auf die Rote Liste Deutschland Gefährdungseinstufung 1 und 2 abgestellt.

  9. Repowering: Die Neuregelungen sollten auch für Vorhaben ausserhalb des §16b BImSchG gelten. Die Rückausnahme für „sensible Gebiete“ ist auf Natura 2000-Gebiete zu beschränken. Die Fallgruppen für eine fehlende Signifikanz müssen weiter konkretisiert werden.

  10. Es gilt eine Verordnungsermächtigung für BMUV und BMWK für die zahlreichen neuen unbestimmten Rechtsbegriffe (wie z.B. Gefahrenbereich) zu ergänzen. Bei der Evaluation der Neuregelungen sind die Windenergieverbände und Vorhabenträger unbedingt mit einzubeziehen.

Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Wir brauchen einen enormen Ausbau der Windenergie an Land, um mittel- und langfristig unabhängig von fossilen Energien zu werden und um die Klimaziele zu erreichen. Zu viele Projekte wurden in den letzten Jahren ausgebremst, weil die erforderlichen Flächen nicht zur Verfügung standen oder viele artenschutzrechtliche Fragen unbeantwortet blieben. Die beiden heute vom Kabinett beschlossenen Gesetzesvorhaben sind ausschlaggebend dafür, ob der notwendige Zubau auch gelingen kann.

Überragenden öffentlichen Interesse“ und „der öffentlichen Sicherheit“
Es ist gut, dass die deutsche Bundesregierung endlich die zentralen Hindernisse aus dem Weg räumen und jetzt die Planungsprozesse beschleunigen will. Sie hat mit dem Gesetzespaket einen mächtigen Kraftakt vollbracht. Insbesondere die generelle Einordnung der Windenergie im „überragenden öffentlichen Interesse“ und dass sie „der öffentlichen Sicherheit“ dienen im Bundesnaturschutzgesetz, ist ein wichtiger Schritt. Jetzt gilt es, nicht kurz vor dem Ziel nachzulassen. Auf den entscheidenden letzten Metern brauchen wir noch essenzielle Änderungen. Unklare Regelungen, wie sie aktuell noch in der Novelle des Bundesartenschutzgesetzes stehen, nützen niemandem, weder den Projektierern noch dem Artenschutz.

Bewertungsmassstab für Vögel
Wichtig für eine echte Beschleunigung ist, dass die Gesetze bei allen Beteiligten, also bei den Projektierern, aber auch in den Behörden vor Ort Klarheit schaffen, wo eine Windenergieanlage ohne Auswirkungen auf Vögel errichtet werden kann und wo nicht. Dafür braucht es einen klaren Bewertungsmassstab, der im Gesetz festgelegt wird. Hier muss dringend nachgebessert werden.“

Standardisierung im Naturschutzrecht
Hermann Albers, Präsident des BWE: „Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber 2018 aufgefordert, im Bereich des Naturschutzrechts durch eine Standardisierung eine einheitliche Rechtsanwendung zu erreichen. Die Umweltministerkonferenz hat dazu gemeinsam mit Energie- und Umweltverbänden intensiv beraten. Die vorgelegte Formulierungshilfe wird weder dieser Aufforderung noch der dringend erforderlichen Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren gerecht und muss daher durch das Parlament dringend überarbeitet werden. Der Entwurf macht es ansonsten nicht möglich, die Ausbauziele und damit auch die Klimaziele zu erreichen. Der Gesetzentwurf schafft neue Rechtsunsicherheiten und würde allein deshalb Genehmigungsprozesse verlängern. Nicht aufgegriffen werden die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission. Die sich neu ergebenden europarechtlichen Möglichkeiten müssen für eine signifikante Beschleunigung des Zubaus genutzt werden.“

Tempo, Tempo und nochmals Tempo
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU: „Wir brauchen beim Windenergieausbau Tempo, Tempo und nochmals Tempo. Beim Flächenausweis von zwei Prozent geht die Ampelkoalition in die richtige Richtung. Ganz anders bei den geplanten Regelungen zum Bundesnaturschutzgesetz: Diese werden in keiner Weise zu einer Beschleunigung des Windenergieausbaus beitragen. Sie passen weder zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich des Naturschutzes noch zu den zu den Erfordernissen des Klimaschutzes. Wir brauchen ein Umdenken beim Artenschutz, das sich auch im Gesetz widerspiegelt. Es muss dabei um ein sinnvolles Miteinander gehen und nicht um ein Verhindern, das nur alles lähmt und mit dem wir uns keinen Schritt weiterbewegen. Konkret bedeutet dies: In der Gesetzeslogik und –methodik sollte die Population einer Art und nicht das einzelne Exemplar im Mittelpunkt stehen. Dies entspricht auch aktuellen Empfehlungen der EU-Kommission“.

Gemeinsamen Branchenappell der Verbände im Wortlaut >>

Text: Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE)

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