In den waldreichen Mittelgebirgsregionen Deutschlands sind Standorte in den Tal- und Niederungslagen häufig weniger windhöffig. Zudem liegen hier Offenlandstandorte oftmals näher an den Siedlungen. ©Bild: KNE

KNE-Empfehlung: Nutzung von Windenergie im Wald sollte nicht generell ausgeschlossen werden

(KNE) Der Landtag des deutschen Bundeslands Thüringen hat am 18. Dezember 2020 durch eine Änderung des Thüringer Waldgesetzes beschlossen, Waldgebiete fortan wieder vollständig von der Windenergienutzung auszuschliessen. Damit scheint sich eine politische Tendenz zu entwickeln, die uns nachdenklich stimmt. Aus Sicht des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) sollte die Nutzung von Waldstandorten nicht generell ausgeschlossen werden. Werden Besonderheiten bei Planung, Genehmigung, Bau und Betrieb von Windenergieanlagen umfassend beachtet, ist eine naturverträgliche Nutzung der Windenergie auch auf dafür geeigneten Waldstandorten möglich.


In Thüringen war im Windenergieerlass von 2016 eine behutsame Öffnung des Waldes ausserhalb von nach § 9 Abs. 1 des Thüringer Waldgesetzes ausgewiesenen Schutz- und Erholungswäldern erfolgt. Waldflächen, die nicht unter diese Kategorie fielen und solche, die keine hervorgehobene Waldfunktion (z. B. für den Bodenschutz) innehatten und so als weiche Tabuzonen eingestuft waren, konnten nach Abwägung aller relevanten Belange in die regionalplanerische Vorrangflächenkulisse für die Windenergienutzung aufgenommen werden.

Windenergie nur auf Offenlandstandorten
Der 2019 veröffentlichte ‚Aktionsplan Wald 2030 ff.‘ der Thüringer Staatskanzlei empfahl, insbesondere von Schädlingsbefall oder Windwurf betroffene Flächen zu berücksichtigen. Durch die Änderung des Thüringer Waldgesetzes ist dies nun nicht mehr möglich. Das erklärte Ziel des aktuellen Thüringer Klimagesetzes von einem Prozent der Landesfläche für die Windenergie soll fortan wieder ausschliesslich auf Offenlandstandorten erreicht werden, was im waldreichen Thüringen schwierig werden dürfte.

In Nordrhein-Westfalen dürfen seit Juli 2019 Waldbereiche für die Windenergie nur in Anspruch genommen werden, wenn ein Bedarf nachgewiesen ist, der nicht ausserhalb von Waldbereichen realisierbar ist. Bereits seit Mai 2018 ist in Nordrhein-Westfalen der seinerzeit erste Leitfaden zur ‚Windenergie im Wald von 2012 nicht mehr anzuwenden. Angesichts der Änderungen in Thüringen und Nordrhein-Westfalen ist die Windenergienutzung auf Waldstandorten insgesamt nur noch in sechs Ländern zulässig: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Gssere Spielräume bei der Flächenausweisung
In Niedersachsen, wo der Wald bisher tabu war, wird hingegen eine Öffnung diskutiert. Der aktuelle Entwurf des Landesraumordnungsprogramms enthält Grundsätze, die eine Öffnung des Waldes für die Windenergie vorsehen (siehe dort unter Art. 1 Nr. 1 m). Dabei sollen allerdings auch zukünftig historische alte Waldstandorte, Waldschutzgebiete und Waldgebiete in Schutzgebieten nach Naturschutzrecht ausgeschlossen bleiben. In Landschaftsschutzgebieten und Naturparks können Waldflächen geprüft werden, wobei jedoch – weiterhin – in erster Linie vorbelastete Flächen oder aus forstlicher Sicht geringwertig versorgte Standorte genutzt werden sollen (ebd.). Niedersachsen erhofft sich davon grössere Spielräume bei der Flächenausweisung bei gleichzeitigem Schutz von ökologisch hochwertigen Waldflächen.

Wald ist nicht gleich Wald
In den waldreichen Mittelgebirgsregionen sind Standorte in den Tal- und Niederungslagen häufig weniger windhöffig. Zudem liegen hier Offenlandstandorte oftmals näher an den Siedlungen. Geeignete windreiche Standorte liegen hingegen in den bewaldeten Höhenlagen. Dabei ist Wald nicht gleich Wald.

Im Sinne des deutschen Bundeswaldgesetzes (BWaldG) ist Wald zunächst einmal „jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten [somit] auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblössen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen“ (§ 2 Abs. 1 BWaldG).

Unterscheidung zwischen Waldflächen
Im Hinblick auf eine Nutzung von Waldflächen für die Windenergienutzung sollte unterschieden werden zwischen intensiv forstwirtschaftlich genutzten und artenarmen Waldflächen sowie solchen mit hohem Anteil standortfremder bzw. nicht heimischen Baumarten einerseits und eher extensiv genutzten und vor allem naturnahen Wäldern andererseits. In letzteren sind die waldspezifischen Ökosystemfunktionen für die Pflanzen- und Tierwelt sowie die weiteren Naturgüter in der Regel deutlich höher ausgeprägt – auch die direkt dem Klimaschutz dienende Funktion als Kohlenstoffsenke. Insgesamt weisen solche Waldflächen einen hohen naturschutzfachlichen Wert auf und sollten für die Windenergienutzung tatsächlich ausgeschlossen werden. Auch Schutz- und Erholungswälder sollten nur ausnahmsweise nutzbar sein. Für die übrigen Waldflächen nach BWaldG, vor allem solche mit starker forstlicher Prägung, sollte jedoch eine Prüfung als geeigneter Standort für Windenergieanlagen (WEA) zugelassen werden.

Naturverträgliche Windenergienutzung auch auf Waldstandorten
Unter strikter Anwendung von Vermeidungsgrundsätzen lassen sich aus unserer Sicht WEA nicht nur im Offenland, sondern auch auf Waldstandorten naturverträglich realisieren. Für die Planung und Realisierung der Anlagen sollte ein möglichst frühzeitiger Austausch der relevanten Akteure – Projektierer, behördlicher und verbandlicher Naturschutz, Wald und Forst – stattfinden und auch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sollten „mitgenommen“ werden. Zudem ist auf folgende Punkte zu achten:

– Meidung bzw. Ausschluss von Waldflächen mit altem und artenreichen Laub- und Laubmischbeständen oder solcher mit einem hohen Anteil an Höhlenbäumen;

– vorrangige Nutzung von Kalamitätsflächen;

– möglichst geringe Flächen- und Waldinanspruchnahme sowie Eingriffsminimierung durch frühzeitig optimierte Standortwahl und möglichst kurze Zuwegungen bzw. Nutzung bereits vorhandener Wege;

– Minimierung von Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt, zum Beispiel durch Rodungs- und Bauzeitenoptimierung;

– Einhaltung eines hinreichenden Abstands der unteren Rotorkante der Winderenergieanlage zur Vegetation;

– eine sorgfältige Umweltbaubegleitung während der Errichtung der Anlage;

– Umsetzung von artspezifischen und fachlich validen Schutzmassnahmen sowie entsprechender Kompensationsmassnahmen.

Kein pauschaler Ausschluss
Bei aller berechtigten Sorge um den deutschen Wald, seine biologische Vielfalt und seine unverzichtbaren Ökosystemleistungen: Ein pauschaler Ausschluss des Waldes als Standort für die Windenergienutzung beraubt uns wichtiger Möglichkeiten, dringend benötigte Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Energien naturverträglich zu erschliessen. Einzelfallbetrachtungen sind aufwändiger als pauschale Urteile, aber wir sollten bereit sein, die Mühe auf uns zu nehmen.

Weitere Veröffentlichungen des KNE zum Thema
Das KNE hat in einer neuen

“ aktuelle Fachveröffentlichungen, aber auch Positionen unterschiedlicher Akteure zusammengetragen, die einen Einstieg bzw. eine Vertiefung in das Thema ermöglichen.

KNE-Auswahlbibliografie zum Thema ‚Windenergienutzung auf Waldstandorten‘ >>

Naturverträgliche Planung und Errichtung von Windenergieanlagen im Wald >>

Text: Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE)

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1 Kommentare

Max Blatter

"Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE)" ... Warum gibt es in der Schweiz nichts Vergleichbares? Ungeklärte Probleme wären genügend vorhanden!

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