Die Kohlenstoffprogramme sollten die Vergabe für Emissionsgutschriften aus Waldprojekten strenger reglementieren. Dabei sollten sie Qualitätsrisiken stärker berücksichtigen und ihre Methoden zur Quantifizierung von Emissionsminderungen verbessern.

Öko-Institut: Qualität von Emissionsgutschriften für Waldprojekte - Risiken und Transparenzprobleme

(PM) Die Carbon Credit Quality Initiative (CCQI), in der das Öko-Institut Partner ist, veröffentlichte neue Bewertungen von Emissionsgutschriften für zwei Typen von Waldprojekten: verbesserte Waldbewirtschaftung und kommerzielle Aufforstung. Zusammen machen diese Projekttypen etwa zehn Prozent der jüngst ausgegebenen Emissionsgutschriften auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt aus. Die neu veröffentlichten Bewertungen unterstreichen, dass es bei diesen Emissionsgutschriftentypen, die hauptsächlich aus Waldprojekten in den Vereinigten Staaten stammen, erhebliche Risiken hinsichtlich ihrer Emissionswirkungen gibt. Sie bieten darüber hinaus oft nur begrenzte Vorteile für nachhaltige Entwicklung.


Diese Risiken sind besonders hoch bei Projekten zur verbesserten Waldbewirtschaftung (engl. Improved forest management - IFM). Qualitätsrisiken entstehen vor allem dadurch, dass die aufgestellten Referenzszenarien hohe Unsicherheiten aufweisen und dass Leckage-Raten unterschätzt werden. Leckage meint hier den Effekt, dass höhere Ernten in anderen Wäldern ausserhalb des Projektgebietes eine verminderte Holzentnahme im Projektgebiert kompensieren. Zudem sei die Dauerhaftigkeit der Projekte nicht garantiert, so die Bewertung, da einige Kohlenstoffprogramme das Risiko, dass Emissionsminderungen durch beispielsweise Waldbrände rückgängig gemacht werden, nicht ausreichend berücksichtigen.

Überschätzungsrisiken und Unsicherheiten
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Waldprojekttypen wahrscheinlich nicht in dem Ausmass Vorteile für die Atmosphäre und nachhaltige Entwicklung erbringen, wie wir es von Emissionsgutschriften hoher Integrität erwarten“, sagt Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. „Die Untersuchung ergab ein komplexes Geflecht aus Überschätzungsrisiken und Unsicherheiten bezüglich der Referenzszenarien. Viele Projekte gäbe es auch ohne den Kohlenstoffmarkt und die Methoden zur Quantifizierung der Emissionsvorteile sind problematisch. Durch den gravierenden Mangel an Transparenz bei diesen Projekttypen kann zudem ihre Glaubwürdigkeit nicht gewährleistet werden.“

Emissionsgutschriften überprüfen und verfeinern
„Diese Erkenntnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, unsere Ansätze zu Emissionsgutschriften aus Waldprojekten zu überprüfen und zu verfeinern. Es ist notwendig, dass die Kohlenstoffprogramme ihre Methoden zur Quantifizierung von Emissionsminderungen verbessern, ihre Strategien ausbauen, um die Risiken für die Dauerhaftigkeit zu reduzieren und Wege finden, um die nachhaltigen Auswirkungen der Projekte zu verstetigen. Bei dieser Neubewertung geht es nicht nur darum, die Integrität von Emissionsgutschriften zu gewährleisten, sondern auch darum, ihre Rolle bei unseren kollektiven Klimaschutzbemühungen zu stärken", erklärt Pedro Martins Barata, AVP, Carbon Markets and Private Sector Decarbonization beim Environmental Defense Fund.

Der Projekttyp IFM umfasst eine Reihe von Massnahmen, die darauf abzielen, die Kohlenstoffspeicher der Wälder zu erhöhen oder zu erhalten. Darunter fallen etwa längere Wachstumszyklen der Bäume und dass forstbetrieblich genutzte Wälder unter Schutz gestellt werden.

Kommerzielle Aufforstung, ein Projekttyp, der von allen grossen Programmen für Emissionsgutschriften angeboten wird, beinhaltet, dass neue Wälder für die Holzproduktion entstehen. Ihr Marktanteil ist im Vergleich zu IFM-Projekten gering.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Verbesserte Waldbewirtschaftung (IFM): Die Risiken der Nicht-Zusätzlichkeit sind weniger einheitlich als bei anderen Projekttypen. Die meisten Projekte dürften bis zu einem gewissen Grad unabhängig von Emissionsgutschriften finanziell attraktiv sein. Einige Projekte könnten aber bei ihrer Finanzierung auf Einnahmen aus Emissionsgutschriften angewiesen sein. Eine ungewollte Verlagerung von CO2-Emissionen auf Wälder ausserhalb des Projektgebietes ist ein grosses Problem bei IFM-Projekten, die Holz produzieren. Quantifizierungsmethoden berücksichtigen diese Risiken nicht ausreichend. Bei der Anwendung der gängigen IFM-Quantifizierungsmethoden besteht ein hohes Risiko, die CO2-Reduktion oder CO2-Entnahme zu überschätzen.

  • Kommerzielle Aufforstung: Es besteht ein einheitlicheres Risiko der Nicht-Zusätzlichkeit, da alle Projekte Einnahmen aus der Holzernte erwirtschaften. Die derzeitigen Quantifizierungsmethoden überschätzen vermutlich ebenso die Emissionsminderungen, aber in einem geringeren Umfang als bei den IFM-Projekten.

  • Nachhaltige Entwicklung und Nicht-Dauerhaftigkeitsrisiken: Beide Projekttypen bieten nur begrenzten Nutzen für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals), da die Projekte häufig darauf beruhen, dass die Holzernte fortgesetzt oder intensiviert wird. Ausnahmen sind die Projekte zur verbesserten Waldbewirtschaftung, die Naturschutzziele verfolgen und das Ökosystem des Waldes unterstützen. Die Regeln der Kohlenstoffprogramme zur Nicht-Dauerhaftigkeit unterscheiden sich deutlich: einige verlangen eine Verpflichtung, dass die Wälder bis zu einhundert Jahre bestehen, andere fordern viel kürzere Zeiträume.

Die Kohlenstoffprogramme sollten die Vergabe für Emissionsgutschriften aus Waldprojekten strenger reglementieren. Dabei sollten sie Qualitätsrisiken stärker berücksichtigen und ihre Methoden zur Quantifizierung von Emissionsminderungen verbessern. Sie sollten zudem die Nicht-Dauerhaftigkeitsrisiken adressieren und Möglichkeiten für Projekte identifizieren, um nachhaltige Entwicklungsbemühungen zu unterstützen.

Mit diesen neuen Bewertungen deckt das Bewertungstool von CCQI nun fast 60 Prozent des freiwilligen Kohlenstoffmarktes ab.


Neue Factsheets zu Waldprojekten
Aufbauend auf den aktuell veröffentlichten Bewertungen, stellt CCQI neue Factsheets vor, die einen detaillierten Überblick über Emissionsgutschriften für Waldprojekte geben. Im Auftrag der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima fassen diese Factsheets die Informationen zu den Projekten prägnant zusammen und bereiten diese verständlich auf. Die Factsheets widmen sich den Projekttypen verbesserte Waldbewirtschaftung und kommerzielle Aufforstung und ergänzen damit das interaktive Bewertungstool von CCQI.

„Diese Factsheets ermöglichen interessierten Akteuren, sich über Qualitätsaspekte der beiden Projekttypen zu informieren und damit informierte und strategische Entscheidungen zu treffen“, sagt Peter Renner, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima. Dr. Olivia Henke, Vorständin der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima, ergänzt: „Dieses Projekt, das komplexe Forschung verständlich darstellt, zeigt deutlich das Engagement unserer Stiftung für wissenschaftsbasierte Kommunikation. Die Factsheets sind ein Beitrag, um die Transparenz und Integrität des Kohlenstoffmarktes zu verbessern, und geben der interessierten Öffentlichkeit Informationen an die Hand, um die Zertifikate von Waldprojekten besser einschätzen zu können.“


Text: Öko-Institut

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