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Der deutsche Strommarkt hat die Energiekrise überstanden, 80 Prozent Erneuerbare bis 2030 sind machbar. ©Bild: Diw Berlin

Deutschland: Kohleausstieg und 80 Prozent Erneuerbare bis 2030 sind machbar

(PM) Das Abschalten der letzten Atomkraftwerke in Deutschland hat nicht wesentlich zu den Preisspitzen der vergangenen Jahre beigetragen und auch keine substanziellen Netzengpässe verursacht. Dies ist das Kernergebnis einer Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (Diw Berlin). Die Wissenschaftler*innen haben mithilfe eines Strommarktmodells zwei Szenarien berechnet und miteinander verglichen.


Im ersten waren – wie im Jahr 2021 – noch sechs Kernkraftwerke in Betrieb, im zweiten keines mehr. Die Analyse zeigt, dass die fehlende Atomenergie von rund 65 Terawattstunden in einer statischen Betrachtung durch fossile Energie kompensiert worden wäre, was kurzfristig zwar zu einem Anstieg der CO2-Emmission geführt hätte. In der Realität ist dieser Effekt aber dadurch kompensiert worden, dass zeitgleich erneuerbare Energien ausgebaut wurden und der Stromverbrauch insgesamt zurückgegangen ist.

Strompreise nach Abschaltung der Atomkraftwerke zunächst leicht gesunken
In der hypothetischen Analyse für das Jahr 2021 zeigen Modellrechnungen, dass der durchschnittliche Strompreis ohne Atomkraftwerke kurzfristig um bis zu elf Prozent gestiegen wäre. „Allerdings ist das gering im Vergleich zum tatsächlichen Strompreisanstieg im selben Jahr von etwa 41 Euro pro Megawattstunde im April auf bis über 250 Euro pro Megawattstunde im Dezember, verursacht durch höhere Rohstoffpreise“, erläutert Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Diw Berlin. Vor allem die kriegsbedingten Gaspreissteigerungen und die enormen Ausfälle französischer Atomkraftwerke hätten die Strompreise erhöht, so Hirschhausen. Dies ist bedingt durch die dominante Stellung der Atomkraft im französischen Energiemix. Auch der Effekt auf die Netzengpässe ist laut Szenarioanalyse eher gering. In der Realität sind bei der Abschaltung der verbleibenden drei Atomkraftwerke vor einem Jahr die Preise zunächst leicht gesunken.

Kohleausstieg bis 2030 erreichbar
Ein weiteres Szenario für das Jahr 2030 untersucht, wie sich der Strommarkt entwickelt, wenn neben den Atom- auch die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Grundannahmen sind, dass die Ausbauziele von Erneuerbaren erreicht werden, die aktuelle Leistung der Gaskraftwerke erhalten bleibt und die der Biomassekraftwerke um etwa 20 Prozent steigt. Die Modellrechnungen zeigen, dass ein Kohleausstieg bis 2030 ebenso wie ein Anteil von 80 Prozent Erneuerbarer am Stromverbrauch weiterhin erreichbar ist. Erdgaskraftwerke machen in diesem Szenario noch 18 Prozent der Stromerzeugung aus.

Beim Ausbau der Erneuerbaren Tempo machen
„Der Strommarkt hat die Energiekrise gut überstanden. Die Preise sind in etwa wieder so niedrig wie im vergangenen Jahrzehnt“, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Diw Berlin. „Die Politik muss also aus dem Krisenmodus kommen und den Blick wieder fokussiert auf den Ausbau der erneuerbaren Energien richten. Nur wenn wir hier Tempo machen, erreichen wir auch das Ziel, 80 Prozent unseres Stromverbrauchs bis 2030 aus Erneuerbaren zu decken.“


Interview mit Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Diw Berlin

Frau Kemfert, wie haben sich die Erdgas- und Strompreise seit dem Krisenjahr 2022 entwickelt?
Die Erdgas- und Strompreise sind seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zwar gestiegen, aber seit dem Herbst 2022 dann wieder gesunken. In der Gaskrise sind die Gaspreise zunächst stark gestiegen und damit zusammenhängend auch die Strompreise, weil diese an den Gaspreis gekoppelt sind. Beides ist mittlerweile gesunken.

Hat die Abschaltung der Atomkraftwerke die Strompreise nach oben getrieben, wie viele Kritiker sagen?
Die Abschaltung der Atomkraftwerke hat die Strompreise nicht nach oben getrieben, weil wir nur noch drei Atomkraftwerke am Netz hatten, die am Ende nur noch vier bis sechs Prozent des Stroms produziert haben. Das ging im Rauschen des europäischen Strommarktes unter. Modellsimulationen zeigten, dass die Strompreise maximal sehr gering nach oben gehen könnten. In Wahrheit sind sie jetzt sogar gesunken.

Atomkraftwerke verursachen keine CO2-Emissionen und sind auch nicht wetterabhängig. Wären sie nicht doch eine Option für die Energiewende?
Die Atomkraftwerke sind keine Option für die Energiewende. Sie sind teuer, risikoreich und auch nicht automatisch sicher. Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass die Atomkraftwerke aufgrund von Kühlwassermangel gerade im Zuge des Klimawandels oft abgeschaltet werden mussten. Das heisst, hier haben wir gar keine Versorgungssicherheit. Zudem passen sie nicht zur Energiewende, weil sie nicht so schnell hoch- und heruntergefahren werden können, wie wir es eigentlich bräuchten.

Im Jahr 2022 gab es in Deutschland grosse Angst vor Energieknappheit. Inwieweit war seitdem die Versorgungssicherheit auf dem deutschen Strommarkt gefährdet?
Die Versorgungssicherheit auf dem deutschen Strommarkt war zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Wir hatten immer ausreichend Strom und sogar Überkapazitäten. Kohlekraftwerke sind in Reserve gegangen und wir hatten ausreichend erneuerbare Energien. Zudem ist die Stromnachfrage zurückgegangen, weil die Energiekrise leider auch zu einem konjunkturellen Einbruch geführt hat.

Im Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien wird gefordert, dass der Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 zu mindestens 80 Prozent aus Erneuerbaren stammen soll. Wie realistisch ist das Erreichen dieses Ziels?
Das Ziel, dass wir bis 2030 80 Prozent erneuerbare Energien haben, ist durchaus realistisch. Erneuerbare haben derzeit einen Anteil von über 50 Prozent an der Stromerzeugung. Wichtig ist, dass das Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien nicht nachlässt. Insbesondere die Solarenergie hat an Tempo zugenommen, bei der Windenergie brauchen wir noch ein schnelleres Tempo und erleichterte Verfahren.

Wie lange brauchen wir noch Energie aus Kohle und Erdgas?
Wir können den Anteil von Kohlestrom bis 2030 deutlich reduzieren, wenn wir einen Turbo beim Ausbau der erneuerbaren Energien einlegen. Der Erdgasausstieg muss nun eingeleitet werden. Wir wollen und müssen ja nach aktuellen Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen bis spätestens 2037 klimaneutral werden. Deswegen ist es wichtig, dass der Anteil von fossilen Energien möglichst schnell sinkt.

Ist die Netzstabilität gewährleistet, wenn 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen?
Wichtig ist, dass zeitgleich die Anteile von den fossilen Energien heruntergefahren werden. Zudem müssen wir auch die Netzertüchtigung im Blick haben und das vor allen Dingen auf der Verteilnetzebene. Wir sehen ja aktuell am Beispiel Oranienburg, dass es zu Problemen kommen kann, wenn man nicht rechtzeitig ertüchtigt. Dass das passiert, ist bundesweit wichtig. Dann kann man Netzstabilität auch mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien erreichen.

Studie im DIW Wochenbericht 18/2024 >>

Text: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Diw Berlin)

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